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Heinrich Breloer Heinrich Breloer: «Weiterarbeiten ist die Lebensversicherung»

Von Jürgen Hein 12.02.2007, 10:16
Der Buchautor und Regisseur Heinrich Breloer in Hamburg. (Foto: dpa)
Der Buchautor und Regisseur Heinrich Breloer in Hamburg. (Foto: dpa) dpa

Köln/dpa. - «Das Buddenbrook-Haus steht alsModell in meinem Kölner Büro», sagt er. Im Herbst beginnt er mit derVerfilmung des Thomas-Mann-Romans. Und auch für die Zeit danach denktBreloer, der an diesem Samstag (17. Februar) 65 Jahre alt wird, nochlange nicht ans Aufhören: «Neue Herausforderungen sind belebend. Dassich weiterarbeiten kann, das ist auch eine Lebensversicherung.»

Erinnern und Verstehen - diesen Herausforderungen hat sich Breloerin mehr als 30 Filmen gewidmet. In «Kampfname Willy Brandt» (1987)porträtierte er den früheren Bundeskanzler, in «Die Staatskanzlei»(1989) leuchtete er die Barschel-Affäre aus, im «Todesspiel» (1997)arbeitete er den RAF-Terror auf. Und Breloer bot dem Fernsehpublikumimmer Gelegenheit, Vergangenes wiederzuerleben. «Fernsehunerhaltungist auch Unterhaltung mit den Menschen über unsere Probleme. DieZuschauer wollen nicht nur träumen, sondern auch verstehen.»

Wie oft bei erfolgreichen Künstlern trifft Breloer mit seinenThemen einen Nerv beim Publikum. Die Recherchen, die Interviews unddas Schreiben des Drehbuchs dienen Breloer zunächst dazu, sich selbstzu erinnern. Ob er seine Zeit im katholischen Internat der 50er Jahrewachruft («Eine geschlossene Gesellschaft», 1987) oder derVätergeneration die Frage stellt, ob sie Mitläufer oder Mittäterwaren bei den Nazis («Speer und Er», 2005) - Breloer sucht dieAntworten nicht nur für sich, sondern zugleich für das Publikum. «Werbei sich selbst etwas tiefer bohrt, trifft auch etwas Allgemeines.»

Heinrich Breloer wurde 1942 geboren und wuchs in Marl auf. Erstudierte Literaturwissenschaft und Philosophie und lebt heute inKöln. Seit 35 Jahren arbeitet er als Autor und Regisseur. Für dieThemen, die ihn fesseln, entwickelte er mit Horst Königstein dasDoku-Drama. Originalaufnahmen zum Beispiel aus der Hitlerzeit oderaus dem Terror-Herbst 1977 mischt Breloer mit Zeitzeugen-Interviewsund mit Spielszenen, in denen er Ereignisse nachstellt.

Dabei ist er ein Perfektionist. Als es in «Speer und Er» um eineRede Görings geht, holt die Kamera ein Radio aus den 40er Jahren ganznahe heran. Es ist genau zu sehen, wo der Zeiger im Sendersuchlaufsteht. «Habt ihr kontrolliert, ob der richtige Sender eingestelltist?», fragt Breloer vom Regiestuhl aus. Für einen Augenblick ist esstill, dann lachen alle - es war ein Scherz. Ausgeschlossen wäre esallerdings nicht, dass Breloer auch dieses Detail exakt hätte filmenwollen. Er selbst versteht sich aber nicht als naturalistischerErzähler, sondern es geht ihm um den realen Kern der Geschichte.

Breloer ist für seine Filme mit Preisen überhäuft worden, für «DieManns» über Thomas Mann und seine Familie bekam er den begehrten US-Preis «Emmy». Da läge es nahe, beim Bewährten zu bleiben. Aber beiseinem neuesten Werk wird es keine Originalaufnahmen geben und keineInterviews, und es geht nicht um Fakten, sondern um Fiktion. Breloerverfilmt einen Roman, und das auch noch fürs Kino - erst späterkommen die «Buddenbrooks» in einer eigenen Fassung ins Fernsehen.

Breloer sieht darin aber keinen Bruch. Die Spielszenen in seinenDoku-Dramen gewannen im Lauf der Jahre Kinoqualität - und stehen nunhalt alleine: «Ich glaube, ich habe mich 20 Jahre daraufvorbereitet.» Bei den «Buddenbrooks» geht es Breloer einmal mehr umpersönliche Fragen: «Auch ich bin ein Kaufmannssohn. Auch in meinemElternhaus habe ich den Kampf zwischen Seele und Saldo miterlebt.»

Die «Buddenbrooks» sind für ihn hoch aktuell. Im 19. Jahrhundertwaren es die Mauern um die kleine Lübecker Welt, die einbrachen unddie Menschen nicht länger von der Konkurrenz, aber auch nicht von denChancen in Berlin oder München isolierten. Heute ist es dieGlobalisierung, die jede Heimeligkeit hinwegfegt. «Mit dem Blick indie Vergangenheit kommt uns die Gegenwart nahe. Man darf keine Angsthaben vor der neuen Zeit, man kann sie auch verstehen und meistern.Wir müssen die typischen Schicksale nicht wiederholen, wir können demLeben mit Einsicht auch eine bessere Wende geben», sagt Breloer.