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"Hart aber fair" "Hart aber fair": "Salafisten fallen nicht vom Himmel"

Von Barbara Cepielik 25.11.2014, 06:19
Frank Plasberg
Frank Plasberg WDR/Klaus Görgen Lizenz

Ein Blick in das Gästebuch machte erschütternd klar: Der Islam hat es nicht leicht in Deutschland, viele Einträge barsten nur so vor Hass, Unverständnis, vor Beleidigungen und Beschimpfungen. Die besonnenen Stimmen blieben in der Unterzahl. Der IS und seine Propaganda, seine barbarische Kriegszüge - all das hat ganze Arbeit geleistet in bundesdeutschen Köpfen: Viele Menschen haben Angst vor radikalen Moslems, vor Salafisten, die in Deutschland Bomben legen könnten. Nein, so meinen viele derer, die sich äußerten, der Islam passt nicht in dieses Land. Das Gästebuch stand unter Strom.

Und die Debatte verlief von Anbeginn an wie mit lodernden Flammen. Alles glühte. Und dazwischen: Frank Plasberg. Er formte das glühende Eisen wie ein kluger Schmied.

Wer saß rund um den Amboss? Wolfgang Huber, ehemaliger Vorsitzender der EKD, Protestant. Aiman Mazyek, der liberale Vorsitzender des Zentralrates der Muslime. Die Kabarettistin Lisa Fitz. Die Turkologin Özlem Nas aus dem Vorstand der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg. Und die Autorin Birgit Kellen, zum Katholizismus übergetretene Protestantin. Lassen wir all das „lassen Sie mich mal ausreden“, all das „Sie waren ja auch lange dran“, all das Ins-Wort-Gefalle das anmutete, als seien in der ersten Halbzeit alle auf Speed, mal weg. Und schälen die Argumente heraus.

Prävention ist die wichtigste Aufgabe

Aiman Mazyek: Liberale Muslime in Deutschland müssen sich nicht vom IS distanzieren, weil sie ihm nie nahe waren. Sie sind Demokraten, ihre Kanzlerin heißt Merkel, sie schätzen die Demokratie. Er mache Katholiken auch nicht mehr für die Kreuzzüge verantwortlich. Die meisten Opfer des IS seien Muslime. Man dürfe nicht auf der „Bananenschale der barbarisch Radikalen des IS ausrutschen“, der Islam sei eine Religion der Barmherzigkeit. Die jungen Männer, die von hier aus radikalisiert in den Dschihad zögen, seien „ Söhne unseres Landes“, deren Radikalisierung ein gesamtgesellschaftliches Problem von Eltern, Schulen, Gemeinden. Dass die meisten muslimische Gemeinden für einen friedlichen Islam stehen, gehe in der medialen Betrachtung unter. 2000 Moscheen hätten am 19. September öffentlich an einem Aktionstag aufgerufen, gegen Unrecht aufzustehen. „Wir alle müssen verhindern, dass junge Menschen sich radikalisieren.“ Prävention sei die wichtige Aufgabe.

Europäischer Islam muss „durch Aufklärung gehen“

Wolfgang Huber: So wie die christliche Kirche sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt, so müssen es auch die Muslime mit ihren dunklen Seiten tun: „Wenn es im Keller unverantwortlich und unmenschlich zugeht, muss das Dachgeschoss der Redlichen reagieren“. Das betreffe nicht nur den IS, das betreffe auch Reaktionen auf den türkischen Präsidenten Erdogan, der die Gleichberechtigung der Frauen anzweifle. „Salafisten fallen nicht von Himmel“ sagte er, gleichwohl seien sie nicht repräsentativ für die Mehrheit der Muslime im Lande. Alle, die darüber in Sorge seien, müssten gemeinsam Lösungen finden. Ein europäischer Islam müsse „durch die Aufklärung gehen.“ Ein Kopftuchverbot wie in Frankreich lehnte er ab.

Birgit Kellen: Selbst der Verfassungsschutz kapituliere vor dem radikalen Islam und gebe zu, nicht genug Personal zu haben, potenziell Gewalttätige im Zaum zu halten. In islamische Ländern würden Frauen gesteinigt und nicht als gleichberechtigt anerkannt. Die muslimischen Gemeinden müsste sich fragen lassen, wie es denn komme, dass hier Aufgewachsene zu Terroristen radikalisiert würden. Zwangsehen, Unterdrückung, Steinigungen, Morde - man müsse anzweifeln dürfen, ob alle hier lebenden Muslime auf dem Boden der deutschen Verfassung stünden - und ob sie sich ihr, wie von ihr gefordert, unterwerfen wollten.

Extreme Einträge ins Gästebuch

Özlem Nas: wollte eigentlich in keine Talkshow mehr gehen, in der die Gräben zwischen „Ihr und wir“ weiter vertieft werden. Extremismus von links wie rechts oder Missbrauch der Religionen müssten bekämpft werden, jeder Jugendliche, der dem Extremismus anheimfalle, sei verloren. Zu hören und mit-, nicht übereinander reden sei der Weg. Das Gästebuch mit seinen Einträgen, gab sie zu, mache ihr Angst. Zur ewigen Kopftuchfrage gab sie schlicht zu Protokoll: Ich will den Menschen ins Gesicht sehen können.

Lisa Fitz: Hatte bis drei Uhr morgens im Koran gelesen und befand, angesichts von Judenverfolgung oder Kreuzzügen habe auch das Christentum keinen Grund, die Nase hoch zu tragen. Unterdrückung, das Verbot für Frauen, Auto zu fahren in radikal-islamischen Staaten. Das Verbot, mit ungläubigen Freundschaften zu schließen - als dies nehme sie nicht für den Koran und seine zweifelhaften Auslegungen ein. Allerdings habe sie sich auch längst von der Bibel verabschiedet.

Und sonst? Zitate aus dem Gästebuch, wie sie extremer bislang kaum zu hören waren. Keine Frage, bei der Phantasie gefragt ist. Keine Lagerfeuerromantik zum Schluss. Eine gute Entscheidung. Man war geneigt zu sagen: Shalom.