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Hans Hasso von Veltheim Hans Hasso von Veltheim: Zwischen den Welten und Zeiten

Von Christian Eger 16.04.2004, 15:16

Halle/MZ. - Veltheim zog Freundschaftsnetze weltweit und sammelte prominente Kontakte wie andere Leute Briefmarken. Der Schriftsteller Hermann Kasack, der Philosoph Hermann Graf von Keyserling und der Berliner Oberrabbiner Leo Baeck zählten zu Veltheims Freunden. Seine eigene setzte er gegen die äußere Welt: die Hingabe zu fernöstlicher Kultur, zu Anthroposophie, Spiritualität und Okkultismus.

Jene, die Veltheim kannten, nannten ihn eine "blendende Erscheinung" (Rolf Italiaander), aber auch eine stets "umstrittene Figur" (Udo von Alvensleben). Ein Einzelgänger, der Volk um sich scharte; ein hingebungsvoller Gastgeber, der zu Wutausbrüchen neigte; ein Anti-Nazi, der der NSDAP beitrat.

Deutschland begriff Veltheim als geistigen Transitraum. Ostrau putzte er zu einem Ost-West-Salon auf, in dem sich Intellektuelle aus Europa und Fernost die Klinke in die Hand drückten. Bis heute ist Veltheims Ostrau, indem der Schlossherr so unübersehbar viele Spuren hinterließ, ein Quell von Faszination und Legende. Auch deshalb ist die erste Veltheim-Biografie, die der hallesche Bibliothekswissenschaftler Karl Klaus Walther vorlegt, ein Ereignis.

Dabei muss vorausgeschickt werden, dass Walthers Recherche ihren Reiz der Fülle an Fakten, Daten und Zitaten, einer buchhalterischen mehr als einer belletristischen Raffinesse verdankt. Als Anhang präsentierte Porträts von Veltheim-Freunden hätte man zum Beispiel lieber im Text gelesen, der wiederum vor Wiederholungen oder dem Auswalzen von Lehrbuchwissen nicht zurückscheut.

Auf der Haben-Seite aber - und das ist die hier entscheidende - steht etwas anderes: der ungeheure Vorlauf an Material und Wissen, den Karl Klaus Walther schafft; Recherchen im Blick auf Veltheims Herkunft aus einer abgründig gescheiterten Ehe, seiner politisch-taktischen und weltanschaulich-strategischen Haltung im NS-Staat, seiner Vernetzung mit den regionalen und halleschen Bürger- und Adelskreisen, zu denen der 1944 hingerichtete Teutschenthaler Unternehmer Carl Wentzel gehörte.

Es sind Veltheims strategische und analytische Urteile, die in ihrer Genauigkeit heute verblüffen: Er wusste innen- und außenpolitisch illusionslos bescheid. Der NS-Staat verachtete ja den Adel; von "blaublütigen deutschen Schweinehunden" und "reaktionären Narren" sprach Arbeitsfront-Chef Robert Ley 1944. Veltheim, der ein Liberaler war, setzte sich von Anfang an zwischen alle parteipolitischen Stühle. Wir finden ihn 1919 im Trauerzug für Liebknecht und um 1933 im Kontakt mit den nationalbolschewistischen Kreisen um Hans Zehrer ("Die Tat") und Harro Schulze-Boysen ("Der Gegner").

Nahezu mit dem kompletten Spektrum der NS-Opposition steht Veltheim in Verbindung. Bereits am 29. Januar 1933 notiert er: "Denn Hitler bedeutet Dauer-Revolution, die nur in einem von ihm entfesselten II. Weltkriege meiner Schau nach enden kann!" In die NSDAP tritt Veltheim 1937 ein; wohl auf Empfehlung von Freunden aus dem Auswärtigen Amt, vermutet Karl Klaus Walther, um jene Asien-Reisen bis 1939 zu garantieren, die ihm als Reiseautor Ruhm bescherten. Bei aller Hellsicht im Blick auf die Weltläufte, versagen Veltheims Prognosen in eigener Sache.

Im Herbst 1945 flüchtet er schwer Asthma-krank in einem Kohlewaggon von Ost nach West, wo er fortan von Freunden durch die Zeiten geführt wird und 1956 im Alter von 70 Jahren stirbt. Walthers Biografie zeigt, dass mit Veltheim kein Sonderling von regionaltouristischer Strahlkraft zu entdecken ist, sondern ein Intellektueller von tatsächlich europäischem Format.

Karl Klaus Walther: "Hans Hasso von Veltheim", Mitteldeutscher Verlag, mit Abbildungen, 308 Seiten, 25 Euro