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Hans Grundig Hans Grundig: Mummenschanz und Stadt im Feuersturm

Von Fred Reinke 20.03.2001, 18:05

Dresden/MZ. - Die Fastnacht fiel im Jahre 1901 auf den 19. Februar. In der Nacht zwischen dem heiteren Mummenschanz und dem folgenden Mittwoch der Ernüchterung wurde Hans Grundig in Dresden geboren. Doch seine Eltern bestanden auf dem Dienstag als Geburtsdatum ihres Sohnes. "Den Aschermittwoch strich man aus meinen Annalen, damit ich das Leben lebe, wie es gut für den Menschen ist", schrieb der Künstler später in seinen Erinnerungen. Ihr Titel "Zwischen Karneval und Aschermittwoch" bezeichnet genau jenen Wendepunkt, der sein Leben zwischen sorgenfreier Ausgelassenheit und schmerzhaften Erfahrungen geprägt hat.

Mit einer Sonderausstellung erinnert die Galerie Neue Meister im Dresdner Albertinum an den 100. Geburtstag des Künstlers, dessen Werk oftmals verkannt und in seiner Bedeutung missgedeutet wurde. Schon 1933, immerhin vier Jahre vor der berüchtigten Münchner Ausstellung, hingen seine als "entartet" diffamierten Bilder neben denen von Dix, Felixmüller, Kokoschka und Kandinsky im Dresdner Rathaus. In der DDR wurde das Werk des KZ-Häftlings und Kommunisten auf die Formel "proletarisch-revolutionär" eingeengt. Und der Künstler geriet schon bald in Vergessenheit, nachdem er keine erwarteten Jubelbilder zur Bodenreform und zum Aufbau des Sozialismus beigesteuert hatte.

Grundigs Hauptwerk, das Triptychon "Das Tausendjährige Reich" - gemalt zwischen 1935 und 1939 - steht im Mittelpunkt der Hommage an den Künstler, der ab 1947 der erste Nachkriegsrektor an der Dresdner Hochschule der bildenden Künste war. Mit diesem Tafelwerk hat der Maler prophetisch den Nazispuk und den Untergang seiner Heimatstadt vorweggenommen, die 1945 in Schutt und Asche versank. Am 13. und 14. Februar, ausgerechnet an Karneval und Aschermittwoch.

Auf der linken Tafel "Karneval" steht eine Menschengruppe, die vom Rand aus skeptisch die bedrohlich aufmarschierte Maskerade verfolgt. Die Mitteltafel "Vision" zeigt eine Stadt im Feuersturm mit einem alles verschlingenden Höllenkrater, während das rechte Bild mit dem Titel "Chaos" eine Stadt darstellt, in der Bestien dominieren und niemand mehr leben kann. Ganz an den Rand gedrängt steht da eine Frau, Lea Grundig.

Hans Grundig hatte die ebenfalls aus Dresden stammende Jüdin und Künstlerin Lea Langer 1928 geheiratet. Nach Verhaftung und Gefängnis konnte sie 1941 nach Palästina fliehen. Zurückgekehrt nach dem Krieg, war sie langjährige Präsidentin des Verbandes Bildender Künstler der DDR und Mitglied des Zentralkomitees der SED. In der Predella seines Triptychons malte Grundig eine Schlafende, wiederum seine Frau, die einmal gesagt hatte: "Schlaft nicht, sonst müsst ihr brennen!"

Dem Hauptwerk zugeordnet sind Bilder aus der Zeit bis 1933, darunter ein Selbstbildnis, dem alle Skepsis ins Gesicht geschrieben steht und das magisch-phantastische Gemälde "Kalte Nacht", eine menschenleere Straße, die in ihrem gespenstischen Licht das kommende Unheil bereits ahnen lässt. Ergänzt wird die Schau durch Werke von Künstlern, die auch zum Thema Masken, Harlekin und Pierrot gearbeitet haben, so Ferdinand Dorschs "Aschermittwoch", der "Harlekin" von Grundigs Lehrers Otto Hettner sowie Bilder Albert Eberts und Werner Tübkes.

Grundigs Triptychon wurde 1996 in der Ausstellung "Das Gesicht der Geschichte" im Centre Pompidou in Paris und ein Jahr später in der Berliner Ausstellung "Deutschlandbilder" gezeigt: Hier wie dort wurde endlich die Leistung Grundigs erkannt, der zu Unrecht lange Zeit als ein Maler der Stalinzeit galt. Die Dresdner Hommage stellt ihn nun endgültig in die Reihe der wichtigen deutschen Maler des 20. Jahrhunderts.

Galerie Neue Meister, Albertinum Dresden, bis 16. April. Täglich, außer donnerstags, von 10-18 Uhr.