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Georg-Büchner-Preis Georg-Büchner-Preis: Späte Ehrung für Mayröcker

28.10.2001, 15:51
Die Schriftstellerin Friederike Mayröcker erhält vom Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Christian Meier, am Samstag im Staatstheater in Darmstadt den Georg-Büchner-Preis 2001.
Die Schriftstellerin Friederike Mayröcker erhält vom Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Christian Meier, am Samstag im Staatstheater in Darmstadt den Georg-Büchner-Preis 2001. dpa

Darmstadt/dpa. - Die österreichische Schriftstellerin FriederikeMayröcker ist am Samstag in Darmstadt mit dem renommierten Georg-Büchner-Preis geehrt worden. Sie erhielt die mit 60 000 Markdotierte Auszeichnung für ihre «Sprachströme und Worterfindungen»heißt es in der Begründung der Deutschen Akademie für Sprache undDichtung. Mit der Preisverleihung ging auch die Herbsttagung derAkademie zu Ende, die sich mit der Vernachlässigung der Literatur imDeutschunterricht und der Zunahme der Anglizismen in der deutschenSprache beschäftigte.

Friederike Mayröcker hat nach eigener Aussage seit Jahren mit demPreis gerechnet. Als sie im Frühjahr den Mitteilung erhielt, habesie geweint, denn erst wenige Monate zuvor war ihr LebensgefährteErnst Jandl gestorben. Er hatte bereits 1984 den angesehenen Preiserhalten und jetzt hätte die 76-jährige Autorin ihren Triumph gernmit ihm geteilt. In ihrer kurzen Danksagung gedachte sie des«liebsten Vertrauten, der an meiner Freude und meiner ErgriffenheitAnteil genommen hätte».

Für Außenstehende war diese Freude nicht zu erkennen. Mithochgezogenen Schultern und ohne erkennbare Regung nahm die Autorindie Urkunde entgegen, in der ihr die Akademie ihre Bedeutung für diedeutsche Literatur bescheinigt. Sie habe den Lesern das «Reservatihrer unerschrockenen Empfindungen» geöffnet und ihnen die«Geheimnisse der Poesie begreifbar» gemacht. Ihr Laudator, derLyriker Thomas Kling aus Hombroich am Niederrhein, pries ihre Gabeder Beobachtung. Das umfangreiche Werk von Friederike Mayröcker seieine «Sehschule», deren Bilder sie mit einer «Sprach-Hochgeschwindigkeitskamera» liefere.

Nach diesen Lobeshymnen ließ die Schriftstellerin, die gern als«Wortakrobatin» bezeichnet wird, ihre Poesie sprechen. OhneUmschweife setzte sie sich an den Tisch und las mit eintönigerStimme die Erzählung, die sie in den vergangenen Monaten extra fürden Anlass geschrieben hatte. «Phantasie über LENZ von GeorgBüchner, oder Gedächtnisrevolution im Steintale bei Pfarrer Oberlinin der vogesischen Wüste» lautet der sperrige Titel des Textes, indem sie sich auf die Spuren des Namensgebers des Preises begab. Einhandelt sich dabei um ein Feuerwerk der Assoziationen über dasGefühlsleben des Schriftstellers Lenz.

Wer das Skript vor sich hatte, dem konnte um die deutscheRechtschreibung bange werden. Wie immer schreibt Mayröcker das «ß»als «sz», das Wort «ein» kürzt sie mit der Ziffer «1» ab. DochKünstler dürfen die Regeln brechen, über die in der deutschenSprachgemeinschaft seit Jahren erbittert gestritten wird. DieAkademie für Sprache und Dichtung gehört dabei zu den hartnäckigenGegnern der Rechtschreibreform. Bei der diesjährigen Herbsttagungstand das Thema jedoch nur am Rande auf dem Programm. Mit einergewissen Genugtuung registrierte Akademiepräsident Christian Meier,dass die Wörterbuchverlage in ihren neuen Auflagen die widersinnigenRegeln heimlich zurücknehmen.