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Gartenreich Wörlitz Gartenreich Wörlitz: 250 Jahre Gartenreich

Von Christian Eger 18.03.2015, 12:21
Die klassizistische Gans: nach höfischem Rezept zubereitete Martinsgans, serviert im Speisesaal des Schlosses Wörlitz
Die klassizistische Gans: nach höfischem Rezept zubereitete Martinsgans, serviert im Speisesaal des Schlosses Wörlitz Janos Stekovics Lizenz

Wörlitz - 250 Jahre Gartenreich! Das sind 250 Mal Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Baden im Kühnauer See, Schleppjagden in der Elbaue, Eislaufen auf dem Wörlitzer See. Und, egal zu welcher Jahreszeit: Spaziergänge am buchstäblich laufenden Meter. Vor 250 Jahren begann der Ausbau der Wörlitzer Anlagen - und mithin die Gründung des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches, das seit dem Jahr 2000 das Welterbe-Siegel trägt.

Gezeichneter Plan von 1764

Aber was heißt: begann? Der erste, von Johann Friedrich Eyserbeck (1734-1818) gezeichnete Plan für den Englischen Garten, der um das vormalige barocke Jagdschloss in Wörlitz bestellt werden sollte, stammt aus dem Jahr 1764. Ein anderer, nicht datierter Entwurf ist wahrscheinlich ein Jahr älter. Was also heißt, dass das von Fürst Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) vorangetriebene Park-Projekt geringfügig älter ist als 250 Jahre.

So war bislang - und bis zuletzt auch in den Veröffentlichungen der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz  - immer von 1764 als Gründungsjahr des Gartens die Rede, weshalb man im vergangenen Jahr den Eindruck gewinnen konnte, dass das Garten-Jubiläum unbemerkt vorübergezogen sei.

Kulturstiftung beruft sich auf „Lusthaus“

Aber so ist es nicht. Man datiert nur anders. Im Januar 1765 erwarb der Fürst in Wörlitz einen Garten zur Parkerweiterung, auf dem von Mai bis September 1765 der Englische Sitz errichtet wurde, ein „Lusthaus“ genannter Pavillon.

Auf diesen Pionierbau also, und nicht auf den Plan von 1764, beruft sich nun die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, wenn sie das Jubiläum 250 Jahre Wörlitzer Anlagen feiert. An diesem Freitag geht der Festakt im Wörlitzer Schloss über die Bühne, am Wochenende steht das „Frühlingserwachen“ im Zeichen des Spatenstichs vor 250 Jahren.

Man feiert nicht mit leeren Händen. Als „Huldigung an das Gartenreich Dessau-Wörlitz“ legt Thomas Weiss, der seit 1994 den Schlössern und Gärten um Dessau vorsteht, einen Bildtextband vor. „Flora, Fauna, Gartenfreude“ ist das im Verlag Janos Stekovics im Katalogformat veröffentlichte Buch überschrieben. 281 Farbfotografien, insgesamt 19 Aufsätze, dazu rund 20 Rezepte (u. a. Bauernterrine von Wildente, Steckrübensuppe, Anhaltischer Grünkohl).

„Im Kreislauf der Natur“ will dieses Buch ein „Fest der Sinnenfreude“ bieten, wie Thomas Weiss als Herausgeber einen seiner Beiträge nennt. Was heißt: Keine in erster Linie historische Belehrung soll hier erfolgen, sondern eine möglichst lustvolle Erbauung. Eine, die nicht auf die touristischen Hauptattraktionen zuläuft, sondern seitlich die natürlichen Sensationen in den Blick nimmt: die Pflanzen, die Tiere, den Selbstgenuss des Spaziergängers. Kurzum das, was Weiss ein „Flanieren mit offenen Sinnen“ nennt.

Belebende Stille in Bildern eingefangen

Dass das über weite Strecken tatsächlich gelingt, ist den Fotografien von Janos Stekovics zu danken. Und das, obwohl das Gartenreich längst zu den überfotografierten Landschaften gehört. Buchstäblich zu Wasser, zu Lande und aus der Luft macht sich dieser Fotograf sein Bild. Belebte - und, ja, belebende - Stille fängt er ein in den Wäldern, Gärten und Schlössern, die sich über 112 Hektar zwischen Wörlitz und Mosigkau verteilen. Mal malerisch, mal grafisch lichtet Stekovics ab. Erstaunlich, wie viele Arten es gibt, den Regen zu beschreiben: sprühend, in Bindfäden oder tropfenrund.

Vogelbilder von Thomas Hinsche kommen hinzu, die den Graukranich, Seeadler oder Eisvogel zeigen. Zwölf Arten von Greifvögeln brüten an Elbe und Mulde. Das Sinnenfrohe treibt im Buch das Kulinarische auf die Spitze: in Landlust-Manier fotografierte Speisen zeigt der Band, angerichtet nach anhaltischen Rezepten. Ob Martinsgans oder Zander: In Wörlitz isst immer das Auge mit.

Mit einem Festakt in geschlossener Gesellschaft wird am Freitag im Schloss Wörlitz an die Gründung des Gartens vor 250 Jahren erinnert. Das Publikum kann am Wochenende beim traditionellen „Frühlingserwachen“ mitfeiern. Geboten werden neben dem Frühlingsmarkt, Konzerten und einer Gondelwettfahrt, der Umzug am Samstag von 11 Uhr an. Die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz lädt am 21. März um 9.30 Uhr zu einer Gartensonderführung „Wörlitz vor 250 Jahren - die ersten Arbeiten im Schlossgarten“ ein und bietet an beiden Tagen unter dem Motto „Spannung vom Keller bis zum Belvedere mit bestem Blick über die Wörlitzer Anlagen. 111 Stufen, die sich lohnen!“ Sonderführungen im Schloss an.

Das Buch zum Fest: Flora, Fauna, Gartenfreude. Hg. von Thomas Weiss, Stekovics Verlag, 281 Fotografien, 368 Seiten, 39,80 Euro.

Zwischen den Bildstrecken kommen Autoren zu Wort, die Aspekte des Sinnlichen oder Eigensinnigen erörtern. So schreiben - neben den Mitarbeitern der Kulturstiftung - unter anderen Christoph Stölzl (als ein Echo seiner Anhalt-800-Rede vom Februar 2012) über „Nonkonformismus in Anhalt“, Guido Puhlmann über die Elbe, Christa Hasselhorst über die Blumenwelten der Fürstin, Eckhard Fuhr über das Vergnügen an der Jagd und die vormalige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer über ihre ersten, ins Jahr 1962 führenden Begegnungen mit den Wörlitzer Anlagen.

Ereignisse, die längst auch historisch sind. Aber in deren Fortlauf erfährt man, warum sich die Bundestagsfraktion der Grünen aus Wörlitz zurückgezogen hat, wo sie bis 2012 ihre jährlichen Klausuren stattfinden ließ. Die Fraktion sei „zu groß und vielleicht auch zu mächtig“ geworden und „sprengte das Maß des Wörlitzer Hotels und wohl auch des Gartenreichs“, schreibt Antje Vollmer, der dieser Trend wohl nicht gefiel.

„Vielleicht war das logisch, auf traurige Weise auch konsequent“, notiert sie. „Die Grünen zogen weiter zu neuen Orten und anderen Zielen. Das Gartenreich bleibt. Es lässt sich wiederfinden.“ Von nun an auch in diesem Landschaftsbilderbuch, das leichtfüßig Natur, Mensch und Kunst zusammenzuführen sucht. (mz)

Wo vor 250 Jahren alles begann: der Englische Sitz in den Wörlitzer Anlagen
Wo vor 250 Jahren alles begann: der Englische Sitz in den Wörlitzer Anlagen
Janos Stekovics Lizenz