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Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit Frauen mischen Kirche auf

Die promovierte Theologin und Ordensfrau Katharina Ganz präsentiert der Männerwelt eine selbstbewusste, feministische Botschaft.

Aktualisiert: 19.4.2021, 22:15
Aktivistinnen der Iniative ?Maria 2.0? demonstrieren 2019 vor dem Freiburger Münster.
Aktivistinnen der Iniative ?Maria 2.0? demonstrieren 2019 vor dem Freiburger Münster. Foto: Patrick Seeger/dpa

Halle (Saale) - Es gibt Unruhe in der katholischen Kirche, schon seit geraumer Zeit. Der weit reichende, zunächst nur zögerlich aufgearbeitete Missbrauchsskandal mit seinen langen Nachwirkungen ist da nur eine „Baustelle“ im von Rom aus geführten Gottesbetrieb. Die Gläubigen an der Basis, in den Gemeinden, melden sich immer deutlicher selbst zu Wort. Das war schon so, als vor knapp zehn Jahren die Verschwendungssucht des früheren Limburger Bischofs Tebartz-van Elst ruchbar wurde. Schließlich beugte sich der Geistliche dem Druck, verzichtete auf sein Amt und wurde auf einen Ruheposten im Vatikan entsorgt.

Zuletzt führte das von der römischen Glaubenskongregation, dem beinharten Nachfolgegremium der Heiligen Inquisition, bekräftigte Segnungsverbot für homosexuelle Paare zu Empörung. Sogar auf Priesterseite regte sich offener Protest. Es grummelte derart vernehmlich, dass sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, erst in der vergangenen Woche genötigt sah, eine Weiterentwicklung der katholischen Sexuallehre in Aussicht zu stellen, es stehe Veränderung an.

Und dann sind da auch noch die Frauen in der Kirche, denen traditionell der Katzentisch zugewiesen wird. Sie können, anders als evangelische Christinnen, nicht als Pfarrerinnen ordiniert werden und haben im Gegensatz zu den Ordensmännern nicht einmal Stimmrecht bei Bischofssynoden, sondern dürfen nur zuhören. Das wollen viele von ihnen nicht mehr so stehen lassen.

Wie eine Theologin das Problem angehen will

Katharina Ganz, promovierte Theologin und Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, gibt dieser christlich-feministischen Bewegung, die auch schon mal vor Kirchen aufläuft und mit Plakaten demonstriert, ein streitbares, kluges Buch in die Hand: „Frauen stören. Und ohne sie hat Kirche keine Zukunft“ heißt es programmatisch und ist im Echter-Verlag Würzburg erschienen.

Frauen stören - wen? Hier ist es in der katholischen Kirche nicht anders als in anderen Männerbetrieben. Es geht um Macht, die man hat, weil man sie hat. Katharina Ganz verweist in der Einleitung ihres Buches auf die „Osnabrücker Thesen“, die 2017 auf einem Ökumenischen Kongress formuliert worden sind. Im Kern wird eine Umkehr im Sinne des Wortes gefordert: Nicht die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern (die von Männern besetzt sind) müsse begründet werden, sondern deren Ausschluss.

In Deutschland sorgen auch die Aktivistinnen von „Maria?2.0“ für Frischluft in der Kirche. Die Frauen glauben, zitiert die Buchautorin, „dass die Struktur, die Missbrauch begünstigt und vertuscht, auch die ist, die Frauen von Amt und Weihe und damit von grundsätzlichen Entscheidungen und Kontrollmöglichkeiten in der Kirche ausschließt“.

Eine Kirche 2.0 wird offenbar gebraucht

Genau so ist das auch gedacht. Nur haben die Amtsträger alten Schlages die Rechnung offenbar ohne die Frauen gemacht. Es ist schwer vorstellbar, dass sie sich von ihren Forderungen wieder zurückziehen und kuschen werden. Eine Kirche 2.0 wird offenbar gebraucht, was auch bei den evangelischen Schwestern und Brüdern noch längst nicht so selbstverständlich ist. Hier waren übrigens mal die Ostdeutschen vorn, wo Frauen, allerdings zunächst nur vereinzelt, seit den 1950er Jahren ins Pfarramt kommen konnten. Im Westen zog 1961 als erste die Landeskirche Hannover nach. Da waren seit der Reformation schon mehr als 400 Jahre vergangen.

Und gerade jüngst, zum Abschluss der Synode der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland am vergangenen Sonntag, wurde ein Kirchengesetz zur Aufdeckung und Verfolgung sexualisierter Gewalt beschlossen. Wo kein Feuer, da kein Rauch, sagt man.

Katharina Ganz kümmert sich in ihrem Buch um die Defizite ihrer, der katholischen Kirche. Dabei argumentiert sie weniger polemisch, sondern bezieht sich ausdrücklich auf die Heilige Schrift, etwa, was die Schaffung des Menschen und die dann erst erfolgende Ausdifferenzierung in „männlich“ und „weiblich“ betrifft. Sie plädiert nicht nur für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen, sondern sieht unter Berufung auf die Theologin Isolde Karle auch Intersexuelle als nach dem Bilde Gottes geformte Wesen: „Keine Person ist von Gottes Schöpfung ausgeschlossen. Niemand muss als abnormal oder krank eingestuft werden aufgrund seiner geschlechtlichen Ausstattung oder Veranlagung“.

Aber auch daran lässt die engagierte Christin keinen Zweifel: „Trotz allem, was mich an meiner Kirche ärgert, frustriert, beschämt und an ihr zweifeln lässt, bin ich überzeugt, dass die einzigartige frohe Botschaft Jesu Christi nicht an Berechtigung und Kraft verloren hat.“ (MZ/Andreas Montag)