Film Film: Volker Schlöndorff legt seine Memoiren vor
Berlin/dpa. - «Ich kann dem aber nicht mehr nachtrauern, es wäremit uns sowieso nichts geworden», sagt Schlöndorff dazu jetzt ineinem dpa-Gespräch in Berlin. «Natürlich nagt das noch irgendwo, vorallem wenn ich jetzt die Meldungen über die Dreharbeiten mit SönkeWortmann und einem Teil meines Teams lese, aber ich hake das jetztab.» Die «Katastrophe» gab ihm die Zeit und die Gelegenheit, seineschon lange geplanten Memoiren zu schreiben, die an diesem Mittwocherschienen sind («Volker Schlöndorff - Licht, Schatten und Bewegung -Mein Leben und meine Filme», Hanser Verlag). Außerdem erscheint jetztauch sein filmisches Gesamtwerk in einer DVD-Collection.
Ruhe gibt es auch weiterhin nicht für den 69-Jährigen. Das nächsteFilmprojekt ist in Vorbereitung, «Gigola» über die Glitzerwelt derPariser Revuetheater und ihrer (lesbischen) Protagonistinnen, den«garconnes». Und im nächsten Jahr inszeniert er auf SchlossNeuhardenberg im Brandenburgischen Leo Tolstois letztes Theaterstück«Und ein Licht leuchtet in der Finsternis» mit Angela Winkler undHans-Michael Rehberg. Damit soll es dann aber auch im Theater- undOpernbereich sein Bewenden haben, meint Schlöndorff, der sich nun malseiner alten Liebe Kino und Film verschrieben hat - und als einstigerChef des Studios Babelsberg mit Genugtuung das Aufblühen destraditionsreichen früheren Ufa- und Defa-Filmgeländes - mit kräftigerHilfe von Hollywood - sieht.
Jetzt aber erst einmal der große Rückblick auf ein ereignisreichesLeben und ein gutes Stück deutscher Filmgeschichte derNachkriegszeit. «Das war schon ungewohnt für mich, dennoch habe iches ganz allein geschrieben, mit Hilfe meiner Tagebücher undNotizzettel. Es ist ein Buch, keine Literatur, das floss mir aus derFeder. Ich wollte erzählen, erzählen, erzählen. Und es wurde eineZeitreise und irgendwie auch ein Geschichtsbuch» - und eine ArtLebensbilanz, zum Beispiel über das «wahre Leben» eines Filmemachers.«Vermutlich ist das "wahre Leben" die letzte uns verbliebene Utopie.»
Hat er es mit nun bald 70 Jahren denn gefunden? «Ich bin ihm näherdenn je, wenn es mir jetzt nur nicht so "abständig" vorkäme, manerlebt doch mit 70 vieles nicht mehr so elementar wie mit 20 oder 30.Ich war damals als Jungsporn beruflich zu ehrgeizig, ein bisschenverpasste Jugend ist das schon.» Und dennoch, seinen «Traumberuf» hater gefunden: «Ich bin jetzt eigentlich mehr denn je das, was ichimmer sein wollte.» Wie ein «großer Abenteuerspielplatz» sei ihm dasLeben als Filmregisseur oft vorgekommen - mit allen Auf und Abs undauch Zweifeln. «Man zweifelt doch immer wieder auch am eigenenTalent», meint ein Mann rückblickend, der immerhin den erstendeutschen Oscar nach dem Krieg gewonnen hat.
Ja, natürlich ist er stolz auf diesen Erfolg, vor allem aber, dassbei der «Blechtrommel» alles gestimmt habe und gelungen sei. EineFortsetzung bis zum Mauerfall 1989 war mit Günter Grass auch geplant,scheiterte aber am Widerstand des Hauptdarstellers David Bennent, wieSchlöndorff sich erinnert. Ins Sinnieren kommt der Regisseur, wenn erdaran denkt, dass ein anderer Film von ihm, mit dem er riesigeProbleme beim Drehen hatte, heute bei den DVD-Käufern populärer alsdie «Blechtrommel» ist - die Max-Frisch-Verfilmung von «Homo Faber».
Zwei Filme sind ihm besonders ans Herz gewachsen, sieht man vonseinem Erstling «Der junge Törless» (1966) ab («ein Erstlingsfilm hateine Dringlichkeit und Unbekümmertheit, die man meistens nie wiedererreicht») - «Der Fangschuss» (Le Coup de Grace/1976) nach dem Romanvon Marguerite Yourcenar mit seiner damaligen Frau Margarethe vonTrotta und der KZ-Film «Der neunte Tag» mit Ulrich Matthes von 2004 -«im Kino leider mit fast null Zuschauern und im Fernsehen nachts um0.45 gesendet». Aber das mit dem Fernsehen ist schon wieder eineigenes Thema. Hinter die Zukunft des Kinos setzt Schlöndorff einigeFragezeichen, um dann aber doch zu resümieren: «Mit Kamera und Filmwerden wohl immer wieder Geschichten auch für die große Leinwanderzählt werden.»