Film Film: Das Fräuleinwunder, das aus der Reihe tanzt
Halle/MZ. - Bereits ihre Herkunft liegt neben der Normalspur: 1921 wird die Tochter eines holländischen Exportkaufmanns und einer deutschen Mutter im indonesischen Batavia, dem heutigen Jakarta, geboren. Neun Jahre alt ist Ilse, als ihre Eltern erst nach Deutschland, später nach Österreich übersiedeln.
Trauminsel Babelsberg
Das Kind spricht Holländisch, Malaiisch, Englisch - Deutsch muss es lernen. 1936 der Sprung ins Max-Reinhardt-Seminar in Wien; es ist der Schauspiel-Chef selbst, der ihr den Geburtsnamen der Mutter als Künstlernamen empfiehlt. Den wird sie brauchen. Bei ihrem Bühnendebüt sitzt ein Filmagent im Parkett. Werner wird vom Fleck weg "gecastet", kurz darauf hat sie einen Ufa-Vertrag in der Tasche: Da ist sie eine Frau von Mitte 20.
Große Gagen, große Publicity, ein großes Haus am Berliner Rand - glitzernder Standard in allen Lebensdingen. Mit dem Ufa-Ticket betritt man im "Dritten Reich" tatsächlich ein Traumgelände, Ilse Werner hat das nie in Abrede gestellt. Die Studios in Potsdam-Babelsberg waren eine Nebenwelt, die sie ihre "Insel" nannte. "Morgens wurde man von einem Chauffeur abgeholt. Wenn man durchs Tor gegangen war, befand man sich in einem eigenen Reich. Wir haben den ganzen Tag gedreht und sind abends schnell nach Hause gefahren, wegen der Luftangriffe." Der Pförtner grüßt sie: "Hallo, Frau Werner, leben Sie noch?". Und wie. Was man drehte, schrieb Film- und eigentlich auch Sittengeschichte. "Wunschkonzert" von 1940: mit mehr als 26 Millionen Zuschauern einer der größten Kinoerfolge des Dritten Reiches, der Ilse Werner an der Seite von Carl Raddatz zeigt. Dann die gemeinsam mit Hans Albers präsentierten Streifen: das Trickwunderwerk "Münchhausen" von 1943 und die Seemannsballade "Große Freiheit Nr. 7" von 1944.
Die Werner tanzt und pfeift und singt: Filmschlager wie "Sing ein Lied, wenn du mal traurig bist" und den Klassiker "Wir machen Musik". Wer die Werner nicht als "Reichspfeife" verlacht, liegt ihr zu Füßen. Darunter tausende Frontsoldaten. Sie schreiben ihr, dass sie "nicht in die Hände der Roten fallen dürfe". Sie wird als ideale Landserbraut verehrt. Ihr gehen auch Nachlässe zu von gefallenen Soldaten. Erbauungsfilme also, 17 insgesamt, und Durchhalte-Melodien. Neben Johannes Heesters ist Ilse Werner der berühmteste Holland-Import des Ufa-Films, erst 1953 erhält sie deutsche Staatsbürgerschaft. Dass sie ein Aktivposten der NS-Propaganda gewesen ist, trug ihr ein Berufsverbot bis 1950 ein.
Ost-West-Legende
Sie stand dann wieder auf. Mit dem Schlager "Baciare" lieferte sie 1960 einen Welthit, sie spazierte querfeldein durch den westdeutschen Entertainment-Park - vom "Blauen Bock" bis hin zur "Praxis Bülowbogen". Im Osten waren ihre Filme Dauergast in der "Rumpelkammer"-Show des ehemaligen Ufa-Kollegen Willi Schwabe, der sechs Jahre älter gewesen ist als die noch stets springlebendige Künstlerin, die er als ein Museumsstück vorführte. Niedergelassen erst in Hamburg, dann in Lübeck, gab Ilse Werner vor fünf Monaten ihr letztes Interview. Sie wolle nicht mehr, sagte sie, außer das eine: in Potsdam beigesetzt werden. In der Nacht zum Montag ist Ilse Werner im Alter von 84 Jahren gestorben.