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Festspiel der Deutschen Sprache  Festspiel der Deutschen Sprache : Schiller trifft Striese in Bad Lauchstädt

Von Joachim Lange 19.10.2020, 07:00
Ganz in Familie: Katharina und Nellie Thalbach
Ganz in Familie: Katharina und Nellie Thalbach Goethe-Ttheater

Bad Lauchstädt - Zu guter letzt ist das Festspiel der Deutschen Sprache auch 2020 ganz bei sich selbst - und der traditionellen, wie immer hochkarätig besetzten szenischen Lesung: Schillers „Kabale und Liebe“.

Die Generalprobe gab es mit Schülern im Publikum. Anders als bei den üblich gewordenen Stück-Dekonstruktionen haben die das gegen die Verhältnisse revoltierende Stück aus dem deutschen Literatur-Kanon dabei tatsächlich kennengelernt.

Und es wirkte. Nicht nur bei der Wiederbegegnung, sondern auch bei den Schülern. Über allen Abstand hinweg, den Pathos und die Fremdheit der Standesgrenzen schaffen. Mit einer Sprache, die ohne all die heutigen Anglizismen oder Binnen-I- und Sternchenmoden auskommt. Eine, die von Herzen kommt und diese berührt, bedarf all dessen nicht.

Thalbach mit Schnurrbart

Wenn alte Texte, allein von der Lesebühne aus, so packen, dann liegt das natürlich daran, wie hier die Mimen den ganzen „Rest“ durch ihr Charisma mitschwingen lassen. Wie das Hallenser Theaterurgestein Reinhard Straube bei seinem selbstbewussten Miller. Es macht Spaß zu sehen, wie dessen Grobheiten seiner Frau gegenüber an den 90 Jahren Lebenserfahrung von Irma Münch abperlen. Oder wie Günther Maria Halmer als Präsident von Walter den personifizierten Zynismus der Macht verkörpert. Natürlich auch, wie Festspiel-Stammgast Markus Meyer den stürmischen und leicht täuschbaren Ferdinand und Pauline Knof die Luise geben.

Lady Milford, nach deren großem Auftritt das Regime des Herzogs plötzlich ziemlich hässlich aussieht, ist Knofs (leibliche) Mutter Barbara Schnitzler. Aber nicht nur hier Vertreterinnen einer Schauspielerinnen-Dynastie (die die große Inge Keller, Schnitzlers Mutter, begründete) auf der Bühne zu erleben.

Das gilt auch für ein besonderes Schmankerl dieses Festspieljahrgangs. Gegen die trübe Stimmung der Zeitläufte stemmt sich nämlich die schauspielernde Familie Thalbach mit dem „Raub der Sabinerinnen“. Diesem komödiantischen Denkmal, das Franz und Paul Schönthan dem sprichwörtlichen Theaterdirektor Striese, der sein Theater gegen jede Anfechtung am Leben erhält. (Peter Sodann hat ihm hinterm Neuen Theater in Halle dann noch eins zum Anfassen errichtet).

In dem Falle ist die Rubrik Regie nur ein klein wenig übertrieben. Was Katharina Thalbach als Regisseurin mit sich selbst als Herrn und Frau Striese (und als Kakadu), gemeinsam mit ihrer Tochter Anna (als Professorentochter Marianne und Dienstmädchen Rosa) und Enkelin Nellie (als Paula) sowie Markus Völlenklee, Richard Barenberg und Sven Scheele in den männlichen Rollen hier entfesselt, ist ein vor Lebens- und Spiellust strotzenden Striesedenkmal.

Vor allem Katharina lässt - wie man so sagt - die Sau raus. Sie ist zum Brüllen komisch und man möchte keinen improvisierten Überspieler missen. Weder den Schnurrbart, der sich selbstständig macht, noch das vertauschte Manuskriptblatt. Die Jugend-Tragödie des Professors, die bei Strieses Theatertruppe zur Parodie und so zum Erfolg wird, ist genau das passende Stück zur oder besser gegen die Stunde!

Werte im Gespräch

Ganz anders, aber auch auf der Höhe der Zeit hatte dieser Festspieltag begonnen. Im Kursaal fanden sich Ministerpräsident Reiner Haseloff und der Theologe und Historiker Benjamin Hasselhorn zu dem ebenfalls zur Festspieltradition gewordenen literarisch-philosophischen Gespräch zusammen. Mit Moderator Manfred Osten wurde aus dieser Begegnung eines bekennenden Katholiken und eines evangelischen Theologen aber kein Streit, sondern letztlich ein (auch für Atheisten) hochinteressanter Diskurs über den Wandel und die Reichweite von Werten als Begründung für individuelles und politisches Handeln, bei dem man auch dem Regierungschef anmerkte, dass das für ihn zum täglichen Brot gehört. Das wäre auch etwas für ein Festspiel Archiv zum Nachhören. (mz)

Lady Milford in Bad Lauchstädt: Barbara Schnitzler (Foto) trat gemeinsam mit ihrer Tochter Pauline Knof auf.
Lady Milford in Bad Lauchstädt: Barbara Schnitzler (Foto) trat gemeinsam mit ihrer Tochter Pauline Knof auf.
Katrin Sieler