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Fernsehen Fernsehen: Mister «Tagesschau» wird 70 Jahre alt

Von Dorit Koch 27.05.2005, 06:35
Ex-«Tagesschau»-Sprecher Wilhelm Wieben lächelt am Mittwoch (25.05.2005) in seiner Wohnung in Hamburg in die Kamera des Fotografen. Wieben, der 26 Jahre lang in der «Tagesschau» Nachrichten vorlas, feiert am Donnerstag (2.Juni) seinen 70. Geburtstag. (Foto: dpa)
Ex-«Tagesschau»-Sprecher Wilhelm Wieben lächelt am Mittwoch (25.05.2005) in seiner Wohnung in Hamburg in die Kamera des Fotografen. Wieben, der 26 Jahre lang in der «Tagesschau» Nachrichten vorlas, feiert am Donnerstag (2.Juni) seinen 70. Geburtstag. (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - Trubel um seine Person hat der ehemalige«Tagesschau»-Sprecher Wilhelm Wieben noch nie gemocht. «Das war's,danke», lautete sein knapper Monolog, nachdem er 1998 - nach 26Jahren - zum letzten Mal Deutschlands bekannteste Nachrichtensendunggesprochen hatte; denn nur Wieben selbst wusste damals von seinemRücktritt. Und schmerzlos war der Weggang auch: «Ich habe die Arbeitkeinen einzigen Tag vermisst und bin danach nicht in ein schwarzesLoch gefallen», erzählt der Hamburger, der am Donnerstag (2. Juni)seinen 70. Geburtstag feiert - wieder ohne rauschende Party, nur imengsten Freundeskreis.

«Dinge, die mir wichtig sind, will ich für mich allein haben»,sagt er bestimmt. Auch heute achtet der erfahrene TV-Mann genaudarauf, nicht zu viel preiszugeben - weder über sich selbst nochdarüber, wie er die Entwicklung der «Tagesschau» und seinerNachfolger sieht. «Die Sendung ist nach wie vor qualitativ sehr hoch.Über manches lässt sich streiten, aber dazu will ich mich nichtäußern», lautet sein knapper Kommentar. Noch wortkarger wird Wieben,wenn man ihn auf die Schlagzeilen mancher Ex-Kollegen in derBoulevardpresse anspricht. «Ich beurteile niemanden», sagt erhöflich.

Wieben selbst, der allein in einer Wohnung an der Außenalsterlebt, hatte einst keine andere Wahl. Seine Freundin, SchauspielerinInge Meysel, hatte in einem «Stern»-Interview ganz nebenbeiDeutschland darüber informiert, dass ihr enger Freund Wilhelmhomosexuell ist. «Eigentlich habe ich nur schwule Freunde. Ichverreise zum Beispiel gerne mit Wilhelm Wieben», verriet Meysel. DerGeoutete nahm es gelassen: «So war sie halt. Wir haben darüber auchspäter nie ein Wort geredet.» Die Reaktionen danach seien einhelligpositiv gewesen. «Inzwischen habe ich eigentlich kein Verständnisdafür, wenn jemand aus seiner Homosexualität ein Geheimnis macht.»

25 Jahre lang waren Meysel und der gebürtige Dithmarscher, derselbst an der Max-Reinhardt-Schule in Berlin Schauspiel studiert undspäter in der Hamburgischen Staatsoper und im Schmidt's Tivoli aufder Bühne stand, befreundet. Er denkt noch oft an die im vergangenenJahr gestorbene Künstlerin. «Sie war ein Teil meines Lebens. Ich habesie ja nie als Schauspielerin kennen gelernt, sondern immer alsprivate Person.» Das Wort «Freund» ist Wieben ohnehin sehr «kostbar».«Ich habe viele Bekannte, aber sicherlich nur ganz wenige engeFreunde», sagt der Mann, den immer noch viele Menschen erkennen. «Ichhatte gedacht, in unserer medienüberfluteten Zeit ist man schnellSchnee von gestern.»

Das Interesse der Menschen ist ihm nicht lästig. «Im Gegenteil,ich finde das sehr angenehm.» Vor allem bei seinen Reisen nachOstdeutschland, die Wieben als «große Bereicherung meines Lebens»empfindet, kommt er häufig mit seinen ehemaligen Zuschauern insGespräch. Wenn er über diese Erlebnisse spricht, gerät der sonst kühlund distanziert wirkende Hamburger regelrecht ins Schwärmen. «Manhört da so unglaubliche Geschichten über das Leben in der DDR undlernt so bewegende Einzelschicksale kennen», berichtet er. Schonjetzt freut er sich auf eine Orgelstunde im Gewandhaus in Leipzig, inder er im Juni Texte lesen wird.

Den Osten Europas will der einstige Kreuzfahrten-Liebhaber («Ichhabe mehr als 40 gemacht») auch weiterhin bereisen. Ansonsten ist ersehr froh, «wenn ich in den Tag hineinleben kann - ohne Termindruck».Er genießt es, ganz spontan eine Ausstellung zu besuchen, ins Theateroder Kino gehen zu können. Seit seiner Pensionierung ist Wiebengelegentlich im TV zu erleben, tritt mit Lesungen auf. Auch seineZukunft sieht er ganz entspannt: «Wenn interessante Angebote kommen,dann mache ich es. Wenn ich keine Lust habe, dann eben nicht.» Nochnie sei er jemand gewesen, der sich Ziele gesteckt habe. «Ich binimmer meinem Instinkt gefolgt, und der hat mich nie getäuscht.»