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Ex-Terrorist als Co-Autor - Ein Setbesuch bei «Schattenwelt»

Von Caroline Bock 26.09.2007, 09:42

Berlin/dpa. - Der ehemalige Terrorist Peter-Jürgen Boock als Co- Autor: Das hat dem RAF-Kinofilm «Schattenwelt» einige Schlagzeilen eingebracht. Als 30 Jahre nach dem Terrorjahr 1977 bekannt wurde, dass Boock am Drehbuch mitgewirkt hat, reichte das, um eine Debatte in Gang zu setzen.

«Selbstgefällig und arrogant» sei Boock und «gut im Geschäft»», wetterte Ex-Regierungssprecher Klaus Bölling in einem Zeitungsbeitrag. In den Medien wurde die Frage laut, ob der entlassene Ex-Terrorist, der an der Schleyer-Entführung beteiligt war, aus seinem Leben erzählen und damit Geld bei einem öffentlich geförderten Film verdienen darf.

Das Team von «Schattenwelt» lud angesichts dieser Vorwürfe zu den Dreharbeiten in ein stillgelegtes Krankenhaus im Süden Berlins ein, einem lauschigen Ort, an dem Füchse über das Gelände streifen und es nach Kiefern riecht. Das Filmteam wollte einiges klarstellen. Regisseurin Connie Walther betritt vehement, dass sich Boock bereichert habe. Ihr Film, eine BR/Arte-Koproduktion, hat ein Budget von 1,3 Millionen Euro, weniger als Bernd Eichingers «Der Baader Meinhof Komplex», der ebenfalls 2008 in die Kinos kommt. Boock habe bei «Schattenwelt», ein «branchenübliches» Honorar erhalten, das dem kleinen Budget entspreche, sagen die Filmemacher.

Der Stoff wurde demnach entwickelt, als sich noch kaum jemand für das Thema RAF interessierte. Die Idee zum Film stammt von Uli Herrmann, Redaktionsleiter des SWR-«Tatorts», der auch das Drehbuch verfasst hat. Er habe Boock zufällig kurz nach dessen Entlassung 1998 in Freiburg kennengelernt. Dieser sei damals ein «wichtiger Stein» bei der Recherche gewesen, erzählt Herrmann. Danach war Boock laut Herrmann nicht mehr in das Projekt eingebunden und hat auch nicht auf das ihm zugesandte Drehbuch reagiert.

In der fiktiven Geschichte, die in der Gegenwart spielt, soll es nicht um Boocks Biografie gehen, sondern um das Verhältnis von Opfern und Tätern, und ob eine Versöhnung möglich ist. Der Film handelt vom Zusammentreffen eines entlassenen Terroristen und einer jungen Frau, die Tochter eines von einem RAF-Kommando ermordeten Opfers ist. Zur Besetzung gehören Ulrich Noethen, Franziska Petri, Eva Mattes und Uwe Kockisch.

Noethen («Das wahre Leben», «Ein fliehendes Pferd») sieht die Entscheidung für die Rolle des Ex-Terroristen wenig spektakulär: «Ich les' halt die Drehbücher und mach' mir meinen Reim darauf.» Für seine Rolle als Terrorist Widmer trägt er Vollbart und hat ein bisschen abgenommen. Seine Leinwandpartnerin Petri («Vergiss Amerika») suchte Literatur über RAF-Opfer - und fand nur wenig. «Ich kann wirklich nicht ermessen, was es (Opfer zu sein) bedeutet», sagte die 34- Jährige. «Ich hatte noch nie eine Rolle, die so schwierig war.» Kockisch spielt einen Zielfahnder. Er hat aus DDR-Zeiten seine eigene Erinnerung an die RAF-Zeit. Diese «grauenhaft ideologische Sprache» der Terroristen habe ihn an Funktionäre erinnert und verschreckt, sagte er.

Boock war 1977, im Deutschen Herbst, an der Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer beteiligt. Er gilt als eine der Schlüsselfiguren der Roten Armee Fraktion (RAF) und gab bereits umfassend Auskunft über das Innenleben der Terrorgruppe. Seine Kritiker nennen ihn den «Karl May der RAF» und glauben, seine Aussagen seien mit Vorsicht zu genießen. Als Zeitzeuge war Boock kürzlich im ARD-Film «Die RAF» von Stefan Aust («Der Baader Meinhof Komplex») zu sehen.