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Ex-Leibwächter von Udo Lindenberg Ex-Leibwächter von Udo Lindenberg: Rauswurf wegen Autobiografie

Von andreas montag 27.09.2014, 10:29
Eddy Kante, Ex-Leibwächter von Udo Lindenberg hat ein Buch geschrieben.
Eddy Kante, Ex-Leibwächter von Udo Lindenberg hat ein Buch geschrieben. Stefanie Brandenburg Lizenz

leipzig - Eddy Kante, der Name ist Programm. Eddy klingt nach Kumpel und Szene, Kante deutet die Konsequenzen an. Falls es doch mal eine Unklarheit gäbe. Darüber will man lieber nicht nachdenken, wenn man den Mann sieht: Schultern wie Scheunentore und Oberarme, die sich unsereins als Schenkel vorstellen könnte. Dazu diverse Ringe und Ketten, alle etwas dicker, damit man sie auch erkennt an diesem Klotz, der eine sehr empfindsame Seele hat. Der früh verletzt worden ist und sein Leben lang nach Familie und Nähe sucht. Das muss man ihm glauben, so kann sich keiner verstellen. So ist dieser große Junge nicht gestrickt.

Der Mann, der sich Kante nennt, wurde am 8. Oktober 1959 als Frank Schröder im westfälischen Hagen geboren und ist 33 Jahre lang Leibwächter und guter Freund des Deutschrockers Udo Lindenberg gewesen. Bis zum großen Krach, der die Dramatik einer Scheidung hat.

Über all das, über sein ganzes Leben, hat Kante ein Buch geschrieben, unterstützt von der Journalistin Jenny Bauer: „In meinem Herzen kocht das Blut“, erschienen im Berliner Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf. Das hat den Bruch mit Lindenberg ausgelöst, sagt der Autor, der nun wieder bekennendes Mitglied einer Rocker-Gang ist und ein verprügelter, gedemütigter Junge war, bevor er zum Schläger wurde. Einer, der die Liebe seiner Mutter vermisste, bevor er Frauen auf den Strich schickte. Das alles war in der Zeit vor Lindenberg.

Auf der nächsten Seite: Lindenbergs Songs helfen dem jungen Eddy. Dann kommt die Rockergang und die Kriminalität.

Wenn er morgen anriefe, der Udo? „Ich weiß nicht, ob dann alles gut wäre“, sagt Eddy Kante. Aber er sagt auch: „Ich habe mich in seinem Leben wohl gefühlt.“ Und, fast trotzig: „So einen Loyalen wie mich wird er nie wieder kriegen.“ Je länger man Eddy Kante im Dämmerlicht einer Kneipe in der Leipziger Westvorstadt Lindenau gegenüber sitzt und ihm zuhört, um so mehr glaubt man ihm, dass er sehr traurig ist über die Trennung von seinem Helden.

Mit 14, 15 Jahren hat Eddy Kante die ersten Lindenberg-Songs gehört. Die haben ihm das Herz geöffnet und eine Sehnsucht geweckt, die der prügelnde Stiefvater nicht kaputt machen konnte. Der leibliche Vater, mit dem Eddy heute manchmal telefoniert, hat sich früh davon gemacht, „mit der Mutter ist Schluss, da ist auch mit dem Kind Schluss“, hatte der wohl damals gedacht. Die Mutter starb nach einem Unfall, als ihr Sohn siebzehn war. Die hatte auch „Dresche gekriegt“ und alles ertragen. Aus Liebe? „Dann war das falsche Liebe“, sagt Eddy Kante. Manchmal war sie zu ihm gekommen, als er schon bei Tante Hilde wohnte, der Schwester seiner Mutter. Heimlich, wenn der „Alte“ auf Schicht war.

Als die Mutter gestorben war, ist es vorbei gewesen. „Leckt mich alle am Arsch“, hat Eddy gedacht, er ist ein kleiner Ganove geworden: Diebstahl, Raub, das ganze Programm. Bis in den Knast. Eine Rocker-Gang, die Freeway Riders, wurden zur Ersatzfamilie für ihn, heute gehört er wieder aktiv dazu. Und lässt nichts auf die Kollegen kommen, die haben ihn nie enttäuscht, wie er sagt. Klar, die Leute hätten Angst vor den Rockern, von denen sie gar nichts wüssten, sagt Eddy Kante. So, wie die Rocker Anzugträger mit Schlips bedrohlich fänden. Dagegen bauten die Jungs ihre eigene Welt.

Und manchmal bleibt da eben einer von denen tot auf der Straße liegen, wenn es um Revierkämpfe geht? „Das ist ein bisschen übertrieben“, beschwichtigt Kante. Und was ist mit den Drähten ins Rotlichtmilieu, was mit dem Erpressen von Schutzgeld? „Das weiß ich nicht, da sag ich auch nix zu“, lautet Eddys Antwort.

Aber er sagt auch, dass es für ihn keine Hauerei mehr gäbe: „Das muss ich nicht haben, ich bin keine zwanzig mehr.“ Wenn er jetzt wieder anfinge, mit dem Rotlicht und allem anderen – wie sollte er das seinen Kindern erklären? Der Erstgeborene ist 34 Jahre alt, die Tochter elf. Eddy liebt sie abgöttisch. Und kann sich nicht vorstellen, dieses Kind zu verprügeln.

Niemandem wünscht er das, was ihm selber geschehen ist, wieder und wieder. Er hat das nicht vergessen, es wird ihn sein Leben lang begleiten – sicher auch nach Malta, wohin Eddy auswandern will: „Vielleicht mach’ ich dort eine Wurstbude auf“, sagt er.

Auf der nächsten Seite: Der Bruch mit Udo und die Sorge um das Image.

Aber Udo wird ihm fehlen, und zöge er ans Ende der Welt. Lindenbergs Musik kann er nicht mehr hören, weil er nicht heulen will. Mit 19 hatte er ihn endlich getroffen, da war Eddy bei der Bundeswehr in Hamburg. Und die Adresse stand tatsächlich in der „Bravo“, man will es gar nicht glauben. Lindenberg grüßte vom Balkon, Eddy durfte reinkommen, sie quatschten eine Weile, so fing das an.

Später, schreibt Kante, hat er sich manchmal neben den Star gelegt, „weil ich Angst hatte, dass er an seiner Kotze erstickt“. Heute trinkt Lindenberg so gut wie nichts mehr, er hat sich selbst gerettet und neu erfunden, „das ist das Geile an Udo“, sagt Eddy Kante.

Und warum ist er rausgeflogen? Wegen des Geldes, das er bei Lindenberg nachträglich als Lohn einklagte? Nein, sagt Eddy. Die Berater haben Schuld, glaubt er. Die hätten Udo von dem Buch erzählt und gewarnt: Wenn das erscheint, fällt es auf dich zurück. „Ich bin Rocker und ich steh’ nicht auf Gewalt“ sei schließlich Lindenbergs Marke, da könne er unmöglich einen Mann beschäftigen, der das zeitweise anders sah und sogar als Zuhälter tätig war.

Eddy Kante bestand auf seinem Recht, über sein Leben schreiben zu dürfen, er hat das durchgezogen. Und die entsprechenden Folgen ausgestanden: Er flog raus aus dem Kosmos Lindenberg. „Ich lebe noch, Udo lebt noch“, sagt Eddy lakonisch dazu.

Sorgen macht er sich allerdings schon um Lindenberg. Mit dem wiedergefundenen Erfolg, den Stadionauftritten, verliere sich der Mensch Lindenberg, sagt Kante, während die Kunstfigur immer größer werde. Das tut ihm leid. Und „der Arschtritt“ schmerzt immer noch. Sie haben vor Gericht um Geld gestritten. Viel Geld, das Kante von Lindenberg forderte.

Am Ende hat Eddy einen offenherzigen Brief an Udo geschrieben, eine Antwort kam nie. „Der hat meine Nummer, der kann mich anrufen“, sagt Lindenbergs größter Fan. Er wünscht es sich sehr, ohne Zweifel. So groß muss der Phantomschmerz sein.

Eddy Kante: In meinem Herzen kocht das Blut.Autobiografie (mit Jenny Bauer), Schwarzkopf & Schwarzkopf, 19,95 Euro
Eddy Kante: In meinem Herzen kocht das Blut.Autobiografie (mit Jenny Bauer), Schwarzkopf & Schwarzkopf, 19,95 Euro
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