Ernst Kreuder zum 100. Geburtstag Ernst Kreuder zum 100. Geburtstag: Literarische Fluchten aus Deutschland
Halle/MZ. - "Die Dichtkunst ist kein platter Spiegel der Gegenwart, sondern ein Zauberspiegel der Zeit, welche nicht ist." Dieses Jean-Paul-Zitat stellte Ernst Kreuder seinem wichtigsten Roman "Die Unauffindbaren" voran. Es kann wohl als Motto für das gesamte Werk des Autors gelten, in dem sich die Darstellung von Phantasie- und Traumwelten als Reaktion auf die Kriegserlebnisse lesen lässt.
Geboren wurde Ernst Kreuder am Freitag vor 100 Jahren in Zeitz. Nach einer Banklehre in Offenbach studierte er Philosophie, Literatur und Kriminalistik in Frankfurt am Main, arbeitete für die "Frankfurter Zeitung", war Redakteur des "Simplizissimus", bevor er ab 1934 als freier Schriftsteller in Eberstadt und Darmstadt lebte und Kurzgeschichten für verschiedene Zeitungen schrieb. Unmittelbar nach Kriegsende, 1946, erschien Kreuders Erzählung "Die Gesellschaft auf dem Dachboden" über eine Gruppe von Sonderlingen, die schließlich mit einem alten Flussdampfer auf Schatzsuche gehen. Ein Treiben, mit dem Kreuder gegen deutsche Denkgewohnheiten rebelliert. "Dummheit", sagt er, "ist der Mangel an Phantasie."
Alfred Andersch bezeichnete Kreuder als "die erste große Hoffnung der jungen deutschen Literatur nach dem Krieg". Auch Kreuders Roman "Die Unauffindbaren" ist eine Aussteigergeschichte. Ein Immobilienmakler ist während eines Spazierganges spurlos von der Seite seiner Frau verschwunden und somit aus der Scheinwelt von Beruf und Geschäft. Er schließt sich einem Geheimbund von Außenseitern an, erkennt aber, dass diese Flucht nur ein Ausweichen ist.
1953 erhielt Kreuder für sein Gesamtwerk den Georg-Büchner-Preis. Es folgten weitere Romane, in denen er gegen Faschismus und Krieg polemisierte und die Wohlstandsgesellschaft der Adenauerzeit satirisch attackierte. Zuspruch blieb ihm dafür nicht versagt. Arno Schmidt zum Beispiel widmete Kreuder 1955 seine Erzählung "Kosmas", im Roman "Das steinerne Herz" gedachte er seines Kollegen: "Der Leser sollte auf Knien dankbar sein, daß die Schriftsteller so für ihn leiden".
Die breite Leserschaft allerdings wollte davon nichts wisssen, große Auflagen blieben dem Autor versagt. Arm und verbittert ist Ernst Kreuder am Weihnachtstag des Jahres 1972 gestorben.
Lieferbare Bücher: "Die Gesellschaft vom Dachboden", Rotbuch, 177 Seiten, 19,50 Euro. "Die Unauffindbaren", Rotbuch, 509 S., 24,50 Euro.