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Eisleben Eisleben: «Verführung ist die wahre Gewalt»

Von ANDREAS HILLGER 05.10.2011, 17:44

EISLEBEN/MZ. - Wie anders wollte man den Ausweg aus der Schande deuten, den Emilia Galotti in Lessings Drama wählt - und der nun auch das erschütternde Schlussbild in Ulrich Fischers Inszenierung an der Landesbühne Eisleben bildet? Es ist eine Hinrichtung, die der Vater hier an seiner Tochter vollzieht und die das Mädchen vor den Begehrlichkeiten des Prinzen schützen soll. Dass sie ihm auf Dauer nicht widerstehen würde, hat sie schließlich selbst vorausgesagt: "Verführung ist die wahre Gewalt."

Der Intendant des Eisleber Theaters setzt sein kleines, in entscheidenden Positionen deutlich verstärktes Ensemble in Rainer Kunzes sinnfälligem Bühnenraum in Szene: Ein viertüriges Portal wird in wechselnde Positionen gedreht, die Architektur der Macht scheint unentrinnbar, dem Innen ist kein Außen zugewiesen. In diesem Symbolraum sind auch die Kleider Bedeutungsträger: Wer schillerende Stoffe bevorzugt, hat selbst einen changierenden Charakter. Die Geradlinigen, moralisch Integren erkennt man an hoch geschlossenen Gewändern ohne Glanzeffekt.

Dass Clara Schoeller als Emilia zunächst ganz keusch und schlicht erscheint, später aber von der Dekadenz ihrer verführerischen Mutter (Jenny Rehs) angesteckt wird, wird durch die seltsame Ambivalenz ihres Verhaltens verstärkt: Sie lacht noch, wo sie schon weinen müsste - und sie versucht, ihre Erregung mit Atemübungen zu bekämpfen. Dass ihr Prinz Gonzaga tatsächlich nicht gleichgültig sein kann, liegt an dem jugendlichen Charme von Ismael Volk, der weniger Kalkül als vielmehr wirkliche Leidenschaft für Emilia erkennen lässt. Die Berechnung des Verführers wird eher durch seine einstige Geliebte Orsina (Yvonne Döring) behauptet, deren anfängliche Hysterie im Gespräch mit dem alten, unbeugsam stolzen Galotti (Oliver Beck) zu wahrer Größe wird.

Die interessanteste Figur bleibt auch in dieser im besten Sinne konservativen, ganz auf die Kraft des Wortes vertrauenden Inszenierung der Intrigant Marinelli. Andreas Brockmeyer zeigt ihn als Herrn und Diener der Lage, als Virtuosen der Gelegenheit und zugleich als inkonsequenten Feigling. Dass er am Ende einfach verschwindet, während die Video-Romanze des Anfangs als Requiem wiederkehrt, ist schade. Gern hätte man gewusst, ob er einen Ausweg aus dem Labyrinth der Schuld findet.

Nächste Vorstellungen: 14. Oktober, 19. November, jeweils 19.30 Uhr