Ein anarchistischer Denker Ein anarchistischer Denker: Maler und Grafiker Michael Prechtl ist gestorben
Nürnberg/dpa. - Im Alter von 76 Jahren ist in Nürnberg der Illustrator und Grafiker Michael Mathias Prechtl gestorben. Dies teilte seine Familie am Montag mit. Prechtl galt als einer der bekanntesten Buchillustratoren Deutschlands. Er schuf ein Werk voller Lebenslust und Sinnenfreude, sorgte mit provokanten Darstellungen aber auch immer wieder für Skandale. Prechtl starb bereits am vergangenen Mittwoch (19.3.) nach längerer Krankheit.
«Mir kam was in den Kopf, ich setzte das um und war dann sehr verwundert, dass man sich darüber aufregte»: So lapidar beschrieb der eigenwillige Künstler in einem Interview zu seinem 75. Geburtstag seine Arbeit. In seinen Bildern suchte Prechtl Verbindungen zu Geschichte und Literatur, er galt als anarchistischer Denker und melancholischer Spaßmacher.
Prechtl wurde am 26. April 1926 im oberpfälzischen Amberg geboren. Im Zweiten Weltkrieg geriet er in russische Gefangenschaft und kam erst 1949 zurück. 1950 bis 1956 studierte er an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, danach arbeitete er als freischaffender Künstler. Anfang der 70er Jahre wurde der Kunstbetrieb auf Prechtls realistische Zeichnungen aufmerksam. Die «New York Times» bestellte Willy Brandts Konterfei bei ihm. Titelbilder für «Spiegel» und «Zeitmagazin» folgten. Prechtl wurde zum wichtigsten Illustrator der Büchergilde Gutenberg, für die er Ausgaben von Oskar Maria Grafs «Das bayerische Dekameron», Thomas Mores «Utopia» oder E. T. A. Hoffmanns «Kater Murr» illustrierte.
«Wir leben in einer Welt, der trotz optischer und akustischer Überflutung, oder gerade deshalb, Hören und Sehen vergangen ist», sagte Prechtl einmal. Mit einer Kombination von scheinbar Widersprüchlichem versuchte er, «Kunst ins Leben zu bringen und Leben in die Kunst». Immer wieder sorgte Prechtl, der sich von der Kritik nie in eine Schublade stecken und auch politisch nicht festlegen ließ, für öffentliches Aufsehen.
Auf einem seiner bekanntesten Plakate, zur Ausstellung «Das Oktoberfest» 1987 in München gemalt, zwang er unter dem Titel «175 Jahre Bayerischer Nationalrausch» Lenin, Bertolt Brecht, Karl Valentin, Richard Wagner, König Ludwig II. und Adolf Hitler in trauter Gemeinschaft auf ein Bild. Das Plakat erregte den Volkszorn in Bayern, wurde aber zum Bestseller. In Nürnberg erteilte ihm der Stadtrat 1987 einen «Vertrauensauftrag» zur Ausmalung des Historischen Rathaussaals. Nachdem Prechtl jedoch 1989 seine ersten Entwürfe präsentiert hatte, wurde sein Werk massiv angegriffen, und er zog sich von dem Auftrag zurück.
Prechtls Oeuvre war weltweit in zahlreichen Ausstellungen etwa in New York, Venedig, Paris, Berlin, Wien, Rom, München und Nürnberg zu sehen. 2001 widmete ihm das Deutsche Historische Museum Berlin die Alleinausstellung «Prechtls Welttheater». Er erhielt den Friedrich- Baur-Preis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, die Medaille «Pro Merite» des Freistaats Bayern und den Kulturpreis der Stadt Nürnberg. Prechtl war seit 1956 mit der Malerin Frydl Zuleeg verheiratet.