Dschungelcamp - Tag 5 Dschungelcamp - Tag 5: Zwischen Politik Sport Action Drama Romanze - und Brüsten
Abend für Abend sehen sich unsere Autoren Annika Leister, Philip Sagioglou und Martin Weber die neunte Staffel des Dschungelcamps an. In einem Briefwechsel tauschen sie sich täglich über ihre Erlebnisse aus – und schreiben sich ihren Schmerz von der Seele. Folge 5:
Liebe Annika, lieber Martin,
es ist nun bereits der fünfte Tag unserer Korrespondenz – und zunächst einmal möchte ich mich Euren Klagen über die Langeweile und Harmonie im Regenwald anschließen. Ärgert mich ebenfalls in höchstem Maße. Wenn schon Dschungelcamp, dann mit Skandalen geschmückt. Aber es scheint, als haben Teile unserer Kritik die Macher erreicht. Am Dienstag haben sie jedenfalls versucht, entgegenzusteuern.
Einerseits war da die Dramatik. Gleich zu Beginn. Und was für eine Dramatik! Gemessen daran, was in den vorangegangen Tagen passiert respektive nicht passiert ist. Haltet Euch fest, liebe Brieffreunde, atmet tief durch: Das Klo war vollgepinkelt. Ja, ganz recht! Der Ruhepuls auf 200, die Augen geweitet, saß ich vor dem Fernseher und dachte mir: Solche Geschichten schreibt nur der Dschungel.
Benjamin Boyce nutzte die Gelegenheit, zu beweisen, dass es auch wirklich er selbst und keine täuschend echt aussehende Benjamin-Boyce-Attrappe ist, die sich in Australien herumtreibt. Seine gefühlt ersten Worte im Camp: Ich kann es nicht gewesen sein, ich war lange nicht. Immerhin, es lebt! Und es kann sprechen! Rebecca Simoneit-Barum tut sich damit weiterhin schwer, auch in der zweistündigen Folge (danke dafür, RTL) war das so. Jörn und Aurelio haben sich in ihrer Funktion als eitles Campfatzkenduo jedenfalls tierisch echauffiert. Und Agent Freiwald himself glaubte zu wissen, dass Rolfe der Übeltäter war. So oder so: Ein waschechter Skandal.
Doch damit nicht genug. Es folgten: Sexgespräche! Sara mit Dirty Talk auf Sächsisch – „Ja, du geile Sau, gib‘s mir, mach die Beene breit, du Luder“. Aurelio, der sich als Anhänger der Auf-alten-Pferden-lernt-man-reiten-Bewegung outet. Patricia, die erklärt, als 18-Jährige einen 60 Jahre alten Freund gehabt zu haben. Ein Knaller nach dem nächsten.
Und dann: B R Ü S T E! Wohin man nur geblickt oder gehört hat! Patricia mag ihre Brüste, Tanja mag Patricias Brüste, Sara mag Brüste generell („Die sind etwas Schönes und ja auch sinnvoll, wie die Euter einer Kuh“). Gegenseitiges Befummeln im Camp, Silikon-Check inklusive. Und weitere Ausführungen von Sara à la schonungslose Bekenntnisse einer Frau, die das Alter nicht fürchtet: „Wenn mein Busen mal bis zu den Knien hängt, dann werde ich mir einhundertprozentig auch Silikon rein machen.“ Anschließend sogar noch der erste Nippelblitzer des Camps, als Patricia sich geduscht hat. Das volle Programm, Leute. Das volle Programm!
Ein Skandal, Sexgespräche, Brüste – das ist nichts für all die Menschen, die seit Tagen jede Gelegenheit nutzen, uns drei im Netz anzupöbeln und uns vorwerfen, wir schrieben für ein unseriöses Medium, wir würden schließlich über IBES berichten.
Von wegen unseriös! Allerfeinster Polittalk war das. Was sind schon Jauchs oder Illners Runden, wenn es die Feuerstelle im Camp und Walter Freiwald gibt: „Ich habe mich mal als Bundespräsident beworben.“ Das könne schließlich jeder machen. Und bei der SPD sei man auch durchaus zufrieden mit seinen Unterlagen gewesen, aber am Ende sei es dann doch Herr Wulff geworden. Wenn schon nicht Walter auf dem Thron, dann wenigstens eine andere Erfolgsgeschichte.
Eins noch zum Bundespräsidenten-Gate: Mich hat Walter beinahe überzeugt! „Das ist für mich genau der richtige Job“, hat er gesagt, „weil ich die Aura habe, die Ausstrahlung, ich habe die Rhetorik drauf, die ich auch fürs Ausland brauche, um mich mit anderen Regierungsonkels zu treffen.“ Wer so selbstbewusst ist und so eine verklärte Selbstwahrnehmung hat, sollte es in der Politik weit bringen können. Unbestätigten Gerüchten zufolge sind bundesweit allerdings die Gleichstellungsbeauftragten in Aufruhr, weil Walter die Regierungstanten unerwähnt ließ. Wie konnte er nur? #Aufschrei
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Aber Ihr seht: Kaum ein Themenbereich, den die Macher am Dienstag nicht in die Sendung geschnitten haben. Sport und Action gab es bei der Prüfung zu beobachten, bei der es – Überraschung! – um das Verspeisen von Dschungel-Köstlichkeiten ging und die Walter und Jörn mit fünf Sternen abgeschlossen haben. Sport, weil die Herren die Größe der Portionen mit Würfen auf eine Dartscheibe festgelegt haben. Und seien wir mal ehrlich: Walter wäre nicht weiter aufgefallen, als sich die Branchenelite neulich bei der Darts-WM in London getummelt hat. Beispiel: Mervyn King.
Und Action, weil, nun ja: Walter, wie er versucht, nicht zu kotzen? Bruce Willis kann einpacken.
Drama gab’s schlussendlich auch noch – Angelina hat wieder geweint. Sie kann nicht mehr und „geht immer kaputter“, sagt sie, weil sie an Streits mit ihrer Mutter und ihrem Freund denkt. Arme Angelina. Aber Jörn, der freundlichste Teilnehmer ever, ever, ever hat sie auch gleich getröstet. Aus Drama wurde eine herzerwärmende Romanze.
Die Herren und Damen von der IBES-Redaktions- und Produktions- und Regie-Front haben wahrlich eine Menge herausgeholt, um den noch immer guten, aber von Folge zu Folge sinkenden Quoten entgegenzuwirken. Und was hat’s gebracht? Nüscht!
Nach wie vor fehlen die Reibereien, die Eskapaden, die Dummheiten, wegen derer die Zuschauer sich das Camp um der Schadensfreude willen ansehen. In der Wir-haben-uns-alle-ganz-furchtbar-dolle-lieb-und-Walter-ist-halt-auch-da-Dschungelwelt sieht es nicht so aus, als würde die Harmonie alsbald durchbrochen.
Das dürfte auch denjenigen Kopfzerbrechen bereiten, die für das Casting verantwortlich waren – erstmals ist kein ansatzweise polarisierender Promi dabei (Walter: „Ich denke, ich bin eindeutig der Bekannteste!“). Und denjenigen, die für die Innovation und die Dschungelprüfungen verantwortlich waren – vieles hat man schon gesehen, der Ekel-Faktor lässt nach und selbst die Kandidaten verziehen kaum mehr eine Miene, wenn sie Käfer, Hoden oder Penisse futtern.
Ach, Martin, Annika – da habe ich mir nach meiner von großen Figuren der Dschungelhistorie wie Larissa Marolt und Melanie Müller geprägten Camp-Premiere im vergangenen Jahr schon etwas mehr versprochen. Aber noch ist nicht alles verloren – wie ich durch Lyrics des großen Michael Wendler nun beweisen werde:
Auch wenn alle Stricke reißen, ich spring für dich vom Bungeeturm //
Auch wenn alle Stricke reißen, ich würd es immer wieder tun!
Und was lehrt uns das? Ganz genau, Freunde, da gibt's keine Metaebene – es ist, wie es ist: Wenn alle Stricke reißen, können wir immer noch vom Bungeeturm springen. Ich finde das beruhigend und toll zu wissen in diesen finsteren Tagen.
Herzlichst
Philip
