Neue Staffel der RTL-Erfolgsshow Neue Staffel der RTL-Erfolgsshow: Dschungelcamp? Ich doch nicht!

Köln - Was habe ich nicht jahrelang über das Dschungelcamp geschimpft. Irrelevant, Unsinn, ein Beispiel für Verblödung durchs Fernsehen – so in etwa klang die Tendenz meiner Ausführungen, und das ist noch nett (weil zitierfähig) wiedergegeben.
Bis zum vergangenen Jahr waren das Dschungelcamp und sein Erfolg ein Mythos für mich. Warum sehen sich derart viele Menschen diesen Quatsch an? Kann das nur daran liegen, dass d- bis z-prominente Damen ihre sekundären Geschlechtsmerkmale enthüllen und am Lagerfeuer über ihre Lieblingsstellung plaudern?
War mir irgendwie auch egal, ich habe geflucht und verurteilt, wann immer ich aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis hörte, wie jemand über die Vorkommnisse im Dschungelcamp quatschte. Zugegeben: Ohne, dass ich jemals eine Folge gesehen hatte.
Subjektiv im Briefwechsel
2014 dann der Schock. Mein Chef wendete sich mit einer Kombination aus Bitte und Auftrag an mich. Ob denn in Frage käme, gemeinsam mit den Kollegen Annika Leister und Martin Weber über das Dschungelcamp zu schreiben. Nach tagelanger Überlegung dachte ich, beruflich hauptsächlich dem Sport zugewandt, mir schließlich: Warum eigentlich nicht?
Danach könnte ich immerhin auf fundierter Grundlage fluchen. Zumal die Stilform des Briefwechsels zwischen uns Autoren, welche wir in diesem Jahr fortführen, die Möglichkeit bietet, die Pein über das Gesehene subjektiv und schonungslos von der Seele zu schreiben.
Ich hielt es für eine mutige Idee, täglich über den RTL-Trash zu berichten, lernte aber schnell, dass diesem Plan das bekannteste aller wirtschaftlichen Prinzipien zu Grunde liegt. Während der zwei Wochen, in denen das Dschungelcamp ausgestrahlt wird, gehören alle Artikel darüber auf unserer Seite jeweils zu den am meisten angeklickten Texten des Tages, bei vielen anderen Medien (ob seriös oder weniger seriös spielt dabei keine Rolle) ist das ähnlich. Die Nachfrage ist da, entsprechend umfangreich ist das Angebot.
Irgendwie ja auch kein Wunder, wo das Camp in der Vergangenheit teilweise einen Marktanteil von bis zu 30 Prozent erreicht hat. Im letzten Jahr haben fast neun Millionen Menschen das Finale gesehen. Die Verleihung der Goldenen Kamera hat nie zuvor so schlechte Quoten erzielt wie 2014 – weil sie parallel zur Dschungel-Entscheidung lief.
Fast neun Millionen! Aber fragen Sie mal nach, ob jemals jemand das Dschungelcamp gesehen hat. Dieser Unsinn – ich doch nicht! Keiner guckt es, aber jeder guckt es.
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Voller Vorurteile habe auch ich mir 2014 also erstmals das Dschungelcamp angesehen. Zwei Dinge sind mir in Erinnerung geblieben.
Erstens: Noch nie bin ich so viel angepöbelt worden, weil ich über etwas schreibe. Und das mag etwas heißen – bei Sportartikeln sind die Leserbriefe selten herzerwärmend. Wie sich selbst als seriös erachtende Medien denn über das Dschungelcamp berichten könnten? Über diesen irrelevanten Unsinn, dieses Beispiel für Verblödung durchs Fernsehen, so der mir nicht gänzlich unbekannte Tenor der Kritik.
Aber, zweitens: Man bekommt, was man bestellt. Wer sich das Dschungelcamp ansieht, weiß oder sollte wissen, dass er/sie sich in die Welt des Trash-Fernsehens begibt. Im Gegensatz zu allerlei Unfug, der zwischen Nachmittag und Mitternacht in den privaten Sendern läuft, ist das Dschungelcamp jedoch aufwendig und gut produzierter Trash.
Abend für Abend sehen sich unsere Autoren Annika Leister, Philip Sagioglou und Martin Weber ab Freitag bis zum 31. Januar das RTL-Dschungelcamp an. In einem Briefwechsel tauschen sie sich täglich über ihre Erlebnisse aus - und schreiben sich ihren Schmerz von der Seele.
Nicht zuletzt wegen des aus Sonja Zietlow und Daniel Hartwich bestehenden Moderations-Duos, das die Show dank der hauptsächlich aus der Feder des Autoren Micky Beisenherz stammenden Witze mit einer angemessenen Portion Selbstironie schmückt. Eine nette Ergänzung zu den zumeist ja flachen Dialogen im Camp. Würden sich die Sendung und ihre Protagonisten für voll nehmen, wäre es dahin mit dem Charme.
Sie merken es – meine Meinung über die Show hat sich geändert, jetzt, wo ich es auch tatsächlich beurteilen kann. Warum etwa einige mir bekannte Studenten und Studentinnen sagen, sie schauen sich „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ am späten Abend an, um dem erschöpften Geist einen Ausgleich zum Lernstress zu offerieren – heute kann ich es wenigstens nachvollziehen.
Aber fragen Sie mich mal, ob ich mir jemals das Dschungelcamp ansehen würde, müsste ich nicht darüber schreiben. Ich doch nicht!
