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Dschungelcamp - Tag 10 Dschungelcamp - Tag 10: Ein unmotivierter Haufen Elend

Von Martin Weber 26.01.2015, 06:18
Hat endlich den Durchbruch geschafft: Rebecca Simoneit-Barum 
Hat endlich den Durchbruch geschafft: Rebecca Simoneit-Barum  RTL Lizenz

Köln - Abend für Abend sehen sich unsere Autoren Annika Leister, Philip Sagioglou und Martin Weber die neunte Staffel des Dschungelcamps an. In einem Briefwechsel tauschen sie sich täglich über ihre Erlebnisse aus – und schreiben sich ihren Schmerz von der Seele. Folge 10:

Liebe Annika, lieber Philip,

man muss auch mal was wagen. Und weil wir ja alle unsere liebe Müh’mit IBES in der Version 2015 haben, wage ich jetzt mal was und begebe mich unter die Textumdichter. Als völliges Greenhorn in diesem Bereich. Aber egal, einfach mal machen. Und gucken, ob eines der größten nervenzersägenden Lieder aus dem Vorjahr, der Erbauungs-Pop-Schlager „Auf uns“ von Andreas Bourani, auch als Downer taugt. Los geht das: 

Wer friert uns diesen Moment ein
Schlimmer kann es nicht sein
Denkt an die Tage, die hinter uns liegen
Wie lang wir Häme und Tränen schon teilen
Hiersitzt jeder für jeden am Lagerfeuer
Und im Regen liegen wir niemals allein
Und solange die RTL-Kameras das steuern
Wird das auch immer so sein

Huch, ich merke gerade: Das hilft nix. Man muss einfach zu wenig umschreiben an Bouranis Kücherkalender-Weisheiten, damit die auch aufs Dschungelcamp passen. Außerdem schwirrt mir die Melodie durch die Synapsen. Und das drückt wahrlich aufs Geschmackszentrum. Und die Original-Textzeile „Vergeuden uns diesen Tag“, die ist mir gerade ein bisschen zuviel. Nichts anderes tun nämlich die Camp-Insassen in der Version 2015. Kaum blitzte in der letzten Folge zwischen Sendeminute 15 und 17 (oder war’s zwischen Minute 21 und 22? Egal) mal so ein bisschen Resthoffnung auf eine klitzekleine Portion Beef und Reibung auf (zwischen wem, habe ich leider schon wieder vergessen), war an Tag 10 wieder alles wie immer. Welcome back im Basislager der saft- und kraftlosen Kandidaten. Hello again in der Runde der bedrückend Unmotivierten und komplett Bocklosen.   

Aurelio, der selbsternannte Leitwolf, der im Kontext der „Bachelorette“noch als Italian Stallion daherkam und sein Gemächt samt Ego auf einer Schubkarre vor sich herfahren musste, weil er sonst keinen Zentimeter vorwärts gekommen wäre, taugt mittlerweile nicht mal mehr als Bettvorleger. „Ich bin gerade unmotiviert“, sagt er, nachdem er kurz zuvor noch behauptete, in einer Show in Italien „getanzt und entertained“zu haben. Gerade? Geht’s noch? Seit zehn Tagen, du Lusche! Auch wenig hilfreich: dass der Mann immer öfter im Konjunktiv spricht. Ein Leben im Konjunktiv ist keins, noch nicht mal im Telezoo. Wer wüsste das besser als wir, Annika und Philip: Was wir hier Nacht für Nacht machen, hat nichts mit der Möglichkeitsform zu tun. Sondern ist die Darstellung der Dschungelcamp-Wirklichkeit in ihrer schonungslosesten Form. „Voll real“, wie meine Lieblings-Bremsbirne Tanja Tischewitsch in ihrer Proletenhaftigkeit immer so schön sagt.

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Bei Tanja Tischewitsch, daran besteht längst kein Zweifel mehr, ist den RTL-Typen, die das Personal fürs Lagerfeuer der Aussortierten zusammenstellen, nicht nur ein kleiner Schnitzer unterlaufen. Sondern mehrere grobe. Dass sich das Fernsehmaterial für IBES aus Formaten wie „Der Bachelor“, „Die Bachelorette“, „DSDS“ und „GNTM“speist, liegt in der Natur der Sache. Dass man aber keine Low-Performerin nehmen sollte, die selbst bei „DSDS“die Top Ten nur mit dem Fernglas gesehen hat, beweist Tanja auf so erschütternde wie eindringliche Weise. Wer im Leben bisher nix erlebt hat, kann auch nix davon erzählen. Und genau das hat Tanja dann auch gemacht. Ausführlich. Und von einem Musikvideo-Dreh mit Ex-Bachelor Paul Janke in einem balearischen Pornoclub schwadroniert, der sich manchmal als Diskothek verkleidet. Aber doch eher ein festes Zuhause für schmierige Gangbang-Geschichten ist. Was in der Analyse von Tanja so klingt: „Zehn Mann ohne Kondom. Isch schwör dir, Mallorca: ohne Witz!“ 

Was mich an dieser Stelle zu dieser Analyse veranlasst: Tanja hat ihren Hals erstens vor allem, damit der Kopf, den sie ausschließlich zum Haareschneiden hat, nicht runterfällt. Und sie hat ihren Hals zweitens, damit man um ihn einen Bikini binden kann. Wie seht ihr das, Annika und Philip? Parken wir da in einer Meinungsgarage? Dachte ich’s mir doch.  

Und die anderen aus dem Haufen des unmotivierten Elends? Rolfe freut sich darüber, dass die australischen Regenwaldsonne die Klamotten trocknet. Maren und der wirre Walter umarmen sich nach erfolgreicher Schatzsuche. Bevor Walter, frisurtechnisch zwischendurch immer mal wieder mit einer Bergheim-Palme unterwegs, beim Tragen der Schatztruhe inflationär „Ich kann nicht mehr“ japst. Und die beiden dann noch in schwer erträglicher Harmonie bei den anderen Losern und Lutschern ankommen. Sara? Die Botox-Lippen sitzen auch an Tag zehn. Bekommt aber jeden Tag mehr Pickel. Und hat ansonsten das, was alle anderen auch haben: keinen Bock. Ebenfalls bei der Lethargie- und Abtriebsschwäche-Sitzrallye voll dabei: Jörn Schlönvoigt. Man weiß immer noch wenig über ihn. Klar ist nach zehn Tagen jedenfalls: Er hat nicht ganz den Kampfgeist und das Charisma eines halbvollen Staubsaugerbeutels.

Und dann ist da noch Rebecca Simoneit-Barum. Die musste zu ihren ersten Dschungelprüfung ran. Mal abgesehen davon, dass die in etwa so schockierend und vorhersehbar war wie eine Sequenz aus der Helene-Fischer-Show, wenn die singende Sagrotanflasche mal wieder von der Hallendecke schwebt, gab’s doch noch eine Überraschung.

Das Zirkuskind Rebecca hat Muffe vor so ziemlich jedem Kriech-, Krabbel- und Schlangengetier. Und Fliegen, Fliegen fliegen ihr gleich gar nicht um die Nase. Gesamtergebnis: ein Stern. „Ich will kein Loser sein“, tönte Rebecca vor der Prüfung (Lesetipp in diesem Zusammenhang: Arthur Schopenhauer, „Die Welt als Wille und Vorstellung“) –und war dann hinterher immerhin mordsmäßig von sich enttäuscht. Weil sie mit der Zunge nicht schnell genug Sterne von einem Gewinde abschrauben kann. Weil sie auch fern des Fernsehdschungels mit sich hadert und dies und das nicht auf die Kette kriegt. Weil sie sich zu dick findet. Rebecca hat telegen ein paar Tränchen verdrückt. Kurze Frage an die Reklameindustrie: So viel, wie bei IBES 2015 geflennt wird – wäre es da nicht mal allerhöchste Eisenbahn für Papiertaschentücher-Werbespots? Denkt mal drüber nach.

Sie genügen sich selbst, und sie sind extrem genügsam, die Camp-Insassen von Staffel Nummer neun. Was ihnen allen fehlt, ist das hier: Energie.

Weshalb den Moderatoren, die von ihren Autoren wie immer prächtig gefüttert werden, nur eins bleibt. In der Vergangenheit schwelgen. „Was hatten wir einen Spaß“, sagt Sonja Zietlow. „Letztes Jahr.“ „Wir wollten die schon zum Teppichknüpfen schicken“, sagt Daniel Hartwich. „Damit überhaupt was Produktives passiert.“ Das aktuelle Geschehen im Camp zu ironisieren, ist die Basis von IBES. Das Format als solches zu ironisieren, ist aber kein gutes Zeichen. Das ist reine Notwehr gegen die Ereignislosigkeit.  Hui, das war jetzt ein ziemlicher Downer. So kann ich nicht aus dem Brief entschwinden, negatives Ausbüxen kommt nicht gut.  

Zum Glück hab’ ich beim Googeln noch was gefunden, was auch des nachts die Erkenntnis-Sonne am Firmament der Heiterkeit aufgehen lässt. Und zwar das hier:

Lange geheim gehalten, jetzt endlich entdeckt: Maren Gilzer in ihren Privat-Klamotten.

Es grüßt euch und alle Leserinnen und Leser wie immer „voll real“ und auch herzlich:

Martin

Ist das Maren?
Ist das Maren?
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