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Drama "Sandstern" mit Katharina Thalbach in Nebenrolle

25.11.2018, 14:15
Oktay (Roland Kagan Sommer) hat eine gute Verbindung zur Nachbarin Anna (Katharina Thalbach). Foto: Camino Filmverleih
Oktay (Roland Kagan Sommer) hat eine gute Verbindung zur Nachbarin Anna (Katharina Thalbach). Foto: Camino Filmverleih Camino Filmverleih

Berlin - Über das Thema Migration wird seit Jahren viel diskutiert, aber wie fühlt sich Fremdsein eigentlich konkret an? Was geht in einem 12-jährigen, heftig pubertierenden Jungen aus der Türkei vor, der plötzlich neben feixenden Erstklässlern die Schulbank drücken muss, weil er Deutsch lernen soll?

Oktay (Roland Kagan Sommer) kommt sich vor wie im falschen Film, als er im Sommer 1980 nach Deutschland zu seinen Eltern kommt. Behütet aufgewachsen ist er bei der Großmutter in der türkischen Provinz, seine ewig streitende Mutter Fatma (Taies Farzan) und seinen netten, aber zu gutmütigen Vater Sabri (Hilmi Sözer) kennt er kaum. Aber dieser Junge hat Mut und Fantasie. Vor der Spiegel posiert er mit Zigarette und gibt den coolen Womanizer. Und dann freundet er sich tatsächlich mit einer hübschen italienischen Mitschülerin an.

Einfühlsam erzählt der 1968 geborene, türkischstämmige Regisseur Yilmaz Arslan, der seit seinem siebten Lebensjahr in Deutschland lebt, in seinem vielschichtigen Drama vom Gefühlschaos und der Einsamkeit eines jungen Migranten. Dabei vermeidet dieser Film, der immer eine Handbreit über der Realität zu schweben scheint, die gängigen Gastarbeiterklischees und konzentriert sich ganz auf seine überzeugende Hauptfigur.

Für den unangepassten Oktay kommt es ganz dicke, als seine Mutter mit Drogendeals auffliegt und ins Gefängnis muss. Da kann ihm dann seine liebevolle, 75-jährige Nachbarin Anna (Katharina Thalbach) - eine Heimatvertriebene wie Oktay - auch nicht mehr helfen. Und sein Vater glänzt durch Abwesenheit.

Der wissbegierige Schüler wird brutal in ein Heim für Schwerbehinderte abgeschoben. Aber genau an diesem eher tristen Ort spürt er zum ersten Mal so etwas wie Geborgenheit. Er übernimmt Verantwortung für seinen Zimmernachbarn im Rollstuhl und freundet sich mit einer querschnittsgelähmten Ex-Sportlerin an.

Keine Sorge, „Sandstern” verkommt nicht zur tristen Sozialreportage, sondern hebt immer wieder in die Welt der Fantasie ab. Auch wenn das Drehbuch von Yilmaz Arslan schließlich etwas zu viele dramatische Volten bereithält, überzeugt sein Film mit starken Darstellern und eigenwilligen Charakteren. Seine Trommel aus der Türkei wird für Oktay zum Instrument des Aufbruchs und der Flucht. Immer wenn es brenzlig wird, beginnt er zu schlagen und spielt der schnöden Realität seinen eigenen Rhythmus vor.

Sandstern, Deutschland 2017, 88 Min., FSK ab 6, von Yilmaz Arslan, mit Roland Kagan Sommer, Katharina Thalbach, Hilmi Sözer (dpa)