Dominique Horwitz Dominique Horwitz: «Ich bin niemals zufrieden»

Berlin/dapd. - Seit 1984 beschäftigt sich der Schauspieler undSänger Dominique Horwitz mit dem belgischen Chansonnier JacquesBrel, gastiert immer wieder mit Interpretationen von Liedern des1978 verstorbenen Sängers. 2007 brachte der gebürtige Franzose dasAlbum «Ne Me Quitte Pas» mit Brel-Chansons heraus. Ab Samstag (7.April) gastiert Horwitz mit dem Chansonabend «Brel!» im BerlinerTipi am Kanzleramt. Mit Horwitz sprach dapd-Korrespondentin TatjanaSchäfer über wenig bekannte Chansons, Opernregie und Größenwahn.
Sie befassen sich nun schon viele Jahre mit Brel, was machtdie anhaltende Faszination aus?
Horwitz: Wenn ich es auf ein Bonmot anlegen wollte, würde ichsagen: Ich beschäftige mich auch schon seit Jahren mit meiner Frau.Das klingt platter als es ist. Brel ist so weise, so klug, solebendig, so leidenschaftlich, dass der Vergleich stimmt. Manbeschäftigt sich nicht nur deshalb über Jahre mit einem Gegenstand,weil man Erkenntnisse gewinnt, sondern weil man auch unmittelbaremotional beschenkt wird.
Entdecken Sie bei Brel immer wieder Neues undÜberraschendes?
Horwitz: Andauernd! Denn die Überraschungen liegen ja nicht beiihm, sie liegen auch nicht in seinen Chansons, die ändern sich janicht. Die Überraschungen sind in einem selbst, weil der Interpretsich verändert. Ich habe meinen ersten Brel-Abend als 27-Jährigergesungen. Was ich damals über Liebe, Schmerz, Verzweiflung oderLeidenschaft zu sagen hatte, hatte ein anderes Gewicht als heute mit54.
Sie haben diesmal Chansons in ihr Repertoire aufgenommen,die Brel selbst zu Lebzeiten nicht mehr aufgeführt hat, und dieposthum veröffentlicht wurden. Ist es leichter, ein Lied zu singen,das Sie von Brel selbst noch nicht gehört haben?
Horwitz: Ich hatte die Chansons gehört. Brel hatte sieaufgenommen, zwei davon komplett instrumentiert, drei nur mitKeyboards. Aber wenn ich mich für ein Chanson von Brel entscheide,spielt es ohnehin keine Rolle, ob er das zuvor live gesungen hat.Ich versuche, den Geist zu erfassen: Was hat ihn an dem Chansoninteressiert, weswegen hat er es gesungen? Und ich versuche, demgerecht zu werden. Bei diesen Liedern habe ich auch verstanden,weswegen er sie nicht auf Platte hat erscheinen lassen. Er waroffenbar unzufrieden - und das konnte ich nachvollziehen.
Warum?
Horwitz: Die beiden instrumentierten Chansons mochte ich zunächstüberhaupt nicht, ich wollte sie anfangs auch gar nicht singen.Fälschlicherweise hatte ich das erst den Liedern zugeschrieben. Bisich kapiert habe, dass ich als Musiker das Arrangement sounerträglich fand, dass das auf die Chansons selbst abgefärbt hat.Und da war klar: Ich kann mich ihnen doch nähern, ich muss einfachnur eine ganz radikal andere Herangehensweise an die Liederentwickeln - und das ist mir auch gelungen.
Könnten Sie sich vorstellen, auch selbst Lieder zuschreiben?
Horwitz: Nein, dazu fehlt mir das Talent.
Sie sind enorm vielfältig. Sie spielen, sie singen, sieinszenieren Theater, und sie haben kürzlich mit Carl Maria vonWebers «Freischütz» in Erfurt erstmals eine Oper inszeniert. WelcheErfahrungen haben Sie aus dieser ungewohnten Arbeit gewonnen?
Horwitz: Die Herangehensweise war für mich erstaunlich leicht,weil ich gemerkt habe, dass ich als Schauspieler wie ein Musikerfunktioniere. Für mich ist ein Text wie eine Partitur. Ich sehenicht nur meine Noten, sondern auch das musikalische Arrangement.Ich sehe auch, was die anderen Partner auf der Bühne brauchen. Beider Arbeit an der Oper habe ich gemerkt, dass ich mich eher alsDirigent fühlte, denn als Regisseur.
Hatte Ihre Entscheidung, den «Freischütz» zu inszenieren,mit Ihrer früheren Rolle im «Black Rider» zu tun, einem Stück, dasauf der Volkssage des Freischütz basiert?
Horwitz: Nein, überhaupt nicht, das ist Zufall. Die Geschichteist einfach spannend. Und mich hat fasziniert, dass sie von Weber soschlecht erzählt war. Das hat mich herausgefordert.
Was hat Weber falsch gemacht?
Horwitz: Er hat seinen beiden Hauptfiguren übel mitgespielt. Sieinteressieren den Zuschauer nicht. Max und Agathe sind einwunderbares Pärchen, fast wie ein Prinzenpaar. Und die interessiereneinen nicht - nicht einen Moment des gesamten Stückes. Und das liegtausschließlich an Webers Erzählweise, an der Chronologie derEreignisse. Verändert man diese, werden das ganz spannende Figuren.
Spielen Sie demnächst auch wieder?
Horwitz: Ja, ich werde bald nach Hamburg fahren für Vorproben zueinem Stück mit dem Titel «Ein Pfund Fleisch». Das ist eineParaphrase auf Shakespeares «Kaufmann von Venedig». Ich spiele denShylock. Ende des Jahres werde ich einen Gesangsabendzusammenstellen, inszenieren und auch singen. Die Show basiert aufdem «Black Rider», und der Titel lautet «The Right Bullets».
Bei der Vielfalt dessen, was Sie schon gemacht haben: Gibtes etwas, was Sie unbedingt noch tun möchten?
Horwitz: Erschreckende Antwort: Nein! Wenn ich meinen Beruf unddie Erfahrungen, die er bietet, weiter auf jedweder möglichenPlattform ausloten darf, bin ich sehr glücklich. Ich bin zwarniemals zufrieden, aber mein Herz ist voller Dankbarkeit. Mein Gott,was ich alles machen, was ich erleben darf! Das ist immer einerneutes Riskieren. Wie zum ersten Mal eine Oper inszenieren: Ichbin kein ausgebildeter Musiker. Es geht darum, einfach etwas zu tunund zu versuchen, ohne zu wissen, ob ich dem stand halten kann. Dasist etwas, was mich sehr fasziniert.
Denken Sie die Möglichkeit, zu scheitern, jedes Mal mit?
Horwitz: Aber logischerweise! Das hat etwas mit Größenwahn zutun.
Schreiben Sie sich den zu?
Horwitz: Absolut. Ein Künstler muss einfach sagen: Das was ichgerade empfinde, ist richtig. Und es ist nicht nur richtig, der Restder Menschheit wird sich dafür interessieren. Das ist einunglaublich anmaßender Vorgang. Aber ohne diesen Vorgangfunktioniert Kunst nicht. Und da ist das Risiko vorgeschrieben.