Die Frau, die ihn verhaut Die Frau, die ihn verhaut: Auch Männer werden Opfer von Gewalt in der Partnerschaft

Halle (Saale) - Spätestens ein Satz im dritten Kapitel lässt einem das erste Mal einen Schauer über den Rücken laufen. Der Ex-Mann seiner Freundin sagt zum Protagonisten: „Ich wünsche dir, niemals diese wahre Frau kennenzulernen.“
Es hätte ein Wendepunkt sein können. In einer anderen Geschichte hätte Tami Weissenberg sich in dem Moment umgedreht und wäre gegangen, weg von dieser Frau, auf dem Weg in ein sicheres Leben.
Aber Tami Weissenberg ist geblieben. Seine Geschichte findet erst spät so etwas wie ein Happy End. Noch heute wünscht er sich manchmal, dass in Momenten wie diesem eine große Hand vom Himmel gekommen wäre, um ihn in eine andere Richtung zu lenken. Immer wieder schreibt er das in seinem Buch. Zum Beispiel, als er sich in dem Onlineportal anmeldet, in dem er die neue Partnerin kennenlernt, die ihm für die nächsten Jahre das Leben zur Hölle machen wird.
Angst vor ihren Fäusten
Nach seinem Nickname im Internet hat er auch das Buch benannt: „Darjeeling Pur“. Immer geht es um die Frage nach dem verpassten Umkehrpunkt: Als sie ihn zwingt, sie zu heiraten. Oder als sie ihn später dazu bringt, sich strafbar zu machen und für sie mit gefälschten Unterlagen Geld zu besorgen - nur, um Ruhe vor ihren Fäusten zu haben.
An manchen Stellen in Weissenbergs Buch fühlt man sich in einen Horror-Roman versetzt. Der Leser weiß genau, dass der Protagonist in sein Unglück läuft. Man möchte ihm zurufen: Renn weg, so schnell du kannst! Doch er begibt sich in eine immer tiefere Abhängigkeit zu „dieser Frau“, wie Tami Weissenberg sie nennt. Das Buch macht deutlich, wie schwer es für Außenstehende ist, die Abhängigkeit, in der sich Opfer häuslicher Gewalt befinden, nachzuvollziehen.
Weissenberg erzählt seine Geschichte authentisch, aber ohne Ausschmückungen. Es ist kein literarisches Meisterwerk. Das soll es aber auch nicht sein - sondern ein Tatsachenbericht. „Ich habe ihr eine Blume gekauft auf dem Heimweg, eine Gerbera, die finde ich schön“, schilderte Weissenberg im MDR eine Situation. „Sie kommt nach Hause, sieht die Blume, nimmt die Vase, schmeißt sie mir an den Kopf und brüllt: Wenn du mich wirklich liebst, hättest Du mir eine Blume gekauft, die mir gefällt und keine, die Dir gefällt.“
In dem Buch habe er sich ganz sachlich äußern wollen, sagt der Autor. Sein Engagement ist ihm wichtig. In Plauen hat er eine Männerschutzwohnung gegründet und betrieben. Dieses Thema werde in seinem Leben immer kompromisslos an erster Stelle stehen - ehrenamtlich allerdings. So könne er den Abstand einhalten, den er dazu braucht.
Weissenberg heißt eigentlich anders, aber seinen richtigen Namen hält er geheim. Denn er macht sich verwundbar, indem er seine Geschichte erzählt. Er tut es trotzdem, denn er will dem Anliegen zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Bisher war das schwer, weil es für Betroffene eine enorme psychische Belastung ist, über das Erlebte zu sprechen.
Anfangs, erzählt Weissenberg, sei er beim Schreiben beinahe euphorisch gewesen. Mit der Zeit hätten aber die Sorgen überhand genommen: „Was ist, wenn sie das mitkriegt, wenn sie wiederkommt? Wenn sie alle Hebel in Bewegung setzt, um das Buch zu verhindern?“ Es sei ihm sehr schwergefallen, das Buch tatsächlich aus der Hand zu geben.
Vorher habe es viele Änderungen gegeben, Dinge wurden allgemeiner formuliert, Jahreszahlen gelöscht. „Ich habe beim Aufschreiben alles wieder erlebt, mich an die Situationen erinnert, in denen ich die Notizen gemacht habe. Einige Wochen habe ich gar nicht darüber reden können.“
Er hatte die Wirkung des Erlebten unterschätzt, dachte, dass er gut er damit klarkommen würde. Doch das Buch sei den psychischen Stress wert gewesen: „Meine Öffentlichkeitsarbeit, das habe ich schon vorher gemerkt, schafft Verständnis.“ Er hoffe, dass das zu einem Umdenken in der Gesellschaft beitragen könne: Das Thema Männerschutz gehört für ihn zur Gleichberechtigung dazu.
„Darjeeling Pur“ sei nicht nur für ihn ein „endgültiges Ablegen der Ereignisse“, sondern soll auch anderen Betroffenen Mut machen - und sensibilisieren. Dabei sei das Buch ursprünglich gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen: „In all diesen Jahren habe ich meine Erlebnisse stichpunktartig auf Zetteln und im Handy notiert, als eine Art Schutz- und Verarbeitungsmechanismus. Die Notizen zu ordnen und in Form zu bringen, dachte ich, würde mir helfen.“
Notizen als Beweise
Er habe auch gehofft, das Aufgeschriebene als eine Art Beweis nutzen zu können, falls er die Misshandlungen durch seine Exfrau vor Gericht beweisen müsse. Die Idee der Veröffentlichung sei erst entstanden, als er einen Verleger der Edition Outbird kennenlernte. Die Erlöse des Buches gehen komplett an den Männerschutz. Inzwischen arbeitet Weissenberg schon am zweiten Teil. Darin will er seinen Ausweg aus der Gewalt beschreiben. (mz)
