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Deutsches Nationaltheater Weimar Deutsches Nationaltheater Weimar: Königin im Schachmatt

Von Andreas Hillger 06.11.2005, 18:46

Weimar/MZ. - Zwei große Einzelne

Den Anlass für sein Experiment findet Intendant Stephan Märki hier in Schillers "Maria Stuart", die eine solche Spiel-Theorie ja zumindest durch Amt und Würde der Kontrahentinnen nahe legt. Tatsächlich sind Maria (Claudia Meyer) und Elisabeth (Petra Hartung) die beiden großen Einzelnen, die nach der Austreibung des Dramatischen übrig bleiben. Doch wer von einer solchen Engführung des Blicks neue Einsichten über das Verhältnis der Schottin und der Engländerin erwartet, sieht sich getäuscht. Denn das zentrale Thema und Ärgernis ist die Masse.

Zwölf Männer und sieben Frauen bietet die Inszenierung auf, um alle übrigen Texte von ihren Figuren zu lösen. Dass dies aber keinem inhaltlichen Interesse geschuldet ist, sondern lediglich als formalistische Pose um Aufmerksamkeit buhlt, wird schnell klar: Nachdem Märki sein Personal uniformiert hat, muss er die Strenge dieses Konzepts durch allerlei Hilfskonstruktionen aufweichen. Der Chor wechselt mit den Rollen auch die Posen, er zerfällt in Grüppchen - und er tritt ab, um seinen nächsten Auftritt nicht zu verpassen.

Der heilige Ernst, mit dem sich dieses Ganze zur multiplen Persönlichkeit spreizt, wirkt dabei unfreiwillig komisch - zumal die Einheit von Laien und Profis nach allem spürbaren Drill noch immer reichlich zivil exerziert. Wer den Vergleich mit Einar Schleefs Chor-Ekstase so offenkundig sucht, sollte ihn auch aushalten können. Und davon ist man in Weimar theoretisch wie praktisch weit entfernt.

Wenn sich die Höflinge der Herrscherin und die Getreuen ihrer Gefangenen also unterschiedslos vermischen, wenn Burleighs kalter Pragmatismus mit denselben Zungen spricht wie Mortimers glühender Fanatismus, müssten die Königinnen eigentlich auch die Positionen dieser Springer und Läufer, Türme und Bauern mitspielen. Zu erkennen ist freilich wenig mehr als das Klischee: Maria ist bewegt, Elisabeth wird bewegt. Die Freiheit der Ohnmächtigen provoziert die Zwänge der Macht, im Park von Fotheringhay eskaliert der Konflikt - und dann werden dieselben Bauern auf beiden Seiten geopfert.

Sympathie für den Text

Spätestens jetzt wird das Erhabene lächerlich, weil Stephan Märkis Willkür gegen die Gesetze des Stücks verstößt. Der Stafettenlauf durch die Instanzen, mit dem Elisabeth die Verantwortung für Marias Tod delegiert, verliert seine Relevanz mangels Schuldiger ebenso wie das Bekenntnis oder die Verleugnung auf der Gegenseite. Das Einzige, was man zu diesem Zeitpunkt noch mobilisieren kann, ist eine ungeahnte Sympathie für den Text. Denn hinter dem sinnleeren Skandieren, das durch entnervende Vor-Atmer dirigiert wird, hört man alt vertraute Zeilen neu. Und erkennt, dass sie sich auch gegen diesen Gewaltakt behaupten.

Am Ende gab es deshalb oder dennoch ein paar Bravi - und viele ratlose Gesichter. Wie soll man Märkis Programmheft-Statement deuten, dass sich diese Arbeit in die "zweite Phase" des "künstlerischen Aufbruchs" einordnen soll? Besser nicht drüber nachdenken!

Nächste Vorstellung: 11. November, 19.30 Uhr