Deutsches Historisches Museum Deutsches Historisches Museum: Die guten Preußen aus Frankreich
Berlin/MZ. - Sieben Perlen stehen für den Neuadel, dieses Wappen zeigt fünf. Altadel also, der bis ins 14. Jahrhundert zurückführt. So ein Ring ist ein Familienheiligtum - und transportables Stück Vaterland dazu.
Man könnte diesen Ring kennen. Lothar de Maizière, Rechtsanwalt in Berlin und 1990 DDR-Ministerpräsident für ein Dreivierteljahr, trägt diese Kostbarkeit für gewöhnlich an seiner rechten Hand. Dass das so möglich ist, verdankt der Jurist, der 1965 in die Block-CDU eintrat, seinem Vorfahren, dem Perückenmacher Paul de Maizière. Der soll um 1690 das Schmuckstück samt einem Petschaftsstempel in einem hohlen Stiefelabsatz über die Grenze getragen haben: vom französischen Lothringen aus ins preußische Brandenburg und dort in das märkische Nest Crossen.
Beispiel de Maizière
Die Familie de Maizière stammt aus dem lothringischen Ort Maizière-le-Metz und sie gehört zu jenen 150 000 Protestanten, die vom 16. Jahrhundert an aus Gründen der politischen Ausgrenzung und religiösen Verfolgung Frankreich verließen. Reformierte Protestanten genauer, die der auf Sittenstrenge, Geschäftstüchtigkeit und einem jeweils göttlichen Auserwähltsein setzenden Lehre des Theologen Johannes Calvin (1509-1564) folgten, der selbst von Paris aus nach Basel fliehen musste.
Unter dem Namen "Hugenotten" gingen die Calvinisten in die Geschichte ein: die der Wirtschaft, Staatskunst und Kultur. Bis heute sind die Hugenotten die bekannteste Gruppe von Zuwanderern, die sich einst in den Grenzen des Heiligen Römischen Reiches von Frankreich aus bewegten - vor allem ins protestantische Brandenburg, nach Hessen und Franken. Die Berliner Schau präsentiert die Hugenotten-Geschichte als eine Begleitveranstaltung zur großen Ausstellung über Wanderungsbewegungen innerhalb Deutschlands, auf gut Soziologen-Deutsch "Migrationen 1500-2005". Dabei ist die Hugenotten-Schau kein bloßes Nebenprodukt, sondern eine große, gut mit Schaustücken gefüllte und in sich schlüssige und erhellende Dokumentation, die selbstverständlich ihren tagespolitischen Geschmack hat. Denn Deutschland, das ja nur dem Papier nach ein "Einwanderungsland" ist, wird hier rückschauend vorgeführt, wie viel wirtschaftliche und soziale Energie man Zuwanderern verdanken kann. So wirkt bis heute das Hugenotten-Engagement in Deutschland an prominenter Stelle fort. Ein paar Namen nur sind zu nennen. Die Verleger-Familie Reclam zum Beispiel, die Schriftsteller Theodor Fontane (1819-1898) und Günter de Bruyn, geboren 1926, sowie der große Zeichner Daniel Chodowiecki (1726-1801).
Vor allem Berlin und sein Umland hat den Hugenotten viel zu verdanken, die sich stets als loyale und karrierebewusste Bürger erwiesen haben. Der Traum einer Rückkehr wurde in den Familien nur über eine Dauer von etwa 100 Jahren am Leben erhalten, danach war man als Hugenotte ein besserer Preuße. Lothar de Maizière ist in einem auf Video aufgezeichneten Interview abzulauschen, dass in der Familie das Gebot galt, besser zu sein als der gemeine Rest. Zu dienen, zu wirken, Einfluss zu haben; das hatte de Maizière ja auch geschafft.
Die Ausstellung führt durch acht Räume: von den "Glaubensfragen" an über die Stationen "Flucht und Versteck" bis zu den "Jubelfeiern" Jahrzehnte danach. Noch 1935 wurde im NS-Staat das 250-jährige Jubiläum des Edikts von Potsdam gefeiert, des preußischen Aufnahmeangebotes an die Hugenotten.
Hugo, das Gespenst
Dieses Edikt von 1685 war die Reaktion auf das letztgültige Wort des Franzosenkönigs Ludwig XIV., der als Katholik die protestantische Religionsausübung verbot - eine Aufhebung des berühmten Toleranzediktes Heinrich IV. von 1598. Auch in der DDR wurde 1985 das Potsdamer Edikt gefeiert, das gut in die allgemeine Preußen-Renaissance passte: mit einer Ausstellung und einem vom Verlag "Junge Welt" herausgegebenen Bastelbogen "Hugenotten in Berlin".
Vor allem als Kunsthandwerker hatten sich die Hugenotten zunächst im Exil bewährt: als Goldschmiede, Perückenmacher und Schneider; funkelnde Tabakdosen sind zu sehen und Perücken-Modelle aus dem 18. Jahrhundert. Allein woher der Name "Hugenotten" stammt, bleibt umstritten. Es ist wohl ein Spottname, der sich der französischen Sage vom König Hugo verdankt, der als Gespenst durch die Nacht geistern soll. Wie die Hugenotten, die ihre Versammlungen stets am Abend abhalten.
Doch wer hierzulande von den Hugenotten spricht, denkt nicht an den fabelhaften Hugo, sondern an all die Fontanes, de Bruyns und de Maizières. Letzterer wiederum macht sich Gedanken, wem er den familieneigenen Ring eines Tages zu übergeben hat. Weil der 65-jährige Lothar drei Töchter, aber keinen Sohn zu bieten hat, wird der Ring wohl an Cousin Thomas de Maizière, 51, fallen - als guter Hugenotte von dieser Woche an Angela Merkels Kanzleramtsminister.