Deutsches Historisches Museum Berlin Deutsches Historisches Museum Berlin: Die Legenden werden nüchtern entzaubert
Berlin/MZ. - Wie stellt man Nationalsozialismus und Krieg aus - wie die Erinnerung an das Geschehen und wie das nicht Erinnerte? Das klingt nach der Quadratur des Kreises. Dass dies im Deutschen Historischen Museum Berlin versucht wird, an quasi offizieller Stelle also, macht die Sache ja nicht leichter.
Das Team um Burkhard Assmus hat sich der Aufgabe unaufgeregt und eindrucksvoll entledigt. So wenig spannend das Entree auf den ersten Blick zu sein scheint, so viel erzählen die Fotos über die zwölf Jahre des "Tausendjährigen Reiches". Dabei werden zugleich die wuchernden Legenden der Nachkriegszeit ("Man hat ja nichts von all dem Schrecklichen gewusst") an den gebührenden Platz gerückt. Am 2. Mai 1933 führen SA-Männer zur allgemeinen Belustigung und Abschreckung den SPD-Kreistagsabgeordneten Hermann Weidemann auf einem Ochsen durch Hofgeismar in Hessen. Am 27. Juli 1933 stellen die neuen Machthaber in Cuxhaven wie später andernorts "Arier" wegen "Rassenschande" an den Pranger: "Ich bin das allergrößte Schwein, ich lasse mich mit Juden ein". Betreten schweigend blicken die Passanten. Umso heiterer geht es beim "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich 1938 zu. Man sieht eine zigtausendköpfige Menge auf dem Wiener Heldenplatz, die Hitler wie einen Messias empfängt. Ähnlich groß ist die Begeisterung noch am 18. Februar 1943 für den "totalen Krieg", den Propagandaminister Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast ausruft. Die Menge jubelt frenetisch. Und er macht sich später über die Bedingungslosigkeit ihrer Gefolgschaft in seinem Tagebuch lustig.
Die nüchterne Dokumentation macht diese Schau zum Ereignis: Neben Bild-, Text- und Sach-Zeugnissen gibt es auch eine so genannte Hörstation. Im Zeitalter des Sehens erfährt das gesprochene Wort in Ausstellungen eine regelrechte Renaissance. Hier gibt es u. a. Berichte eines befreiten polnischen Zwangsarbeiters und einer Deutschen, die von sowjetischen en Soldaten vergewaltigt wurde, bis sie sich in den "Schutz" eines Offiziers begab - der sie natürlich auch "haben" wollte. Das war der Preis.
Penibel folgt die Schau deutsch-deutscher Nachkriegsgeschichte - die ja auch eine der Wiederbewaffnung und des Pazifismus war. Sehr schön allein die Begegnung mit einem Brief (samt ausführlicher Wegbeschreibung) des aufmüpfigen, schon kranken DDR-Autors Franz Fühmann (1922-1984), der den Verbandspräsidenten Hermann Kant 1982 zu sich nach Hause einlud, um über den Frieden und "Schwerter zu Pflugscharen" zu diskutieren. Herr Kant wird ironisch vorgeführt, man liest es, nicht seinetwegen, mit Rührung.
Bis zum 28. August, Deutsches Historisches Museum, Pei-Bau, Berlin, Hinter dem Gießhaus 3, tägl. 10-18 Uhr, Eintritt: 2 Euro