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Der Widerständige Der Widerständige: Warum ein Unternehmer aus Teutschenthal 1944 hingerichtet wurde

Von Andreas Montag 27.07.2019, 14:00
Carl Wentzel vor dem NS-Volksgerichtshof
Carl Wentzel vor dem NS-Volksgerichtshof Bundesarchiv

Halle (Saale) - „Aufrecht, getrost und unschuldig gehe ich in den Tod“, schrieb der Teutschenthaler Agrarunternehmer Carl Wentzel an seinen Sohn. Mit großer Selbstdisziplin und tiefer Religiosität habe Wentzel in der Berliner Haftanstalt Tegel die Tage bis zur Vollstreckung des Todesurteils in Plötzensee am 20. Dezember 1944 zugebracht, berichtete Pfarrer Harald Poelchau später.

Poelchau, der zahllosen Todeskandidaten beigestanden hat, schrieb: „Ohne ein Zeichen der Erregung stieg er in den Wagen, der ihn zur Hinrichtungsstätte bringen sollte.“

„Die Veröffentlichung einer Todesanzeige ist unzulässig“

Wentzels Angehörige wurden erst nach Weihnachten von der Staatsanwaltschaft schriftlich über dessen Tod unterrichtet. „Die Veröffentlichung einer Todesanzeige ist unzulässig“, heißt es in dem Brief. Das Ersuchen um Herausgabe der sterblichen Überreste wurde abschlägig beschieden: Die Asche der in Plötzensee Hingerichteten werde als Dünger über die Felder gestreut.

Auf diese schändliche Weise war man auch mit den Leichnamen Claus Schenk Graf von Stauffenbergs und seiner Mitverschwörer verfahren. Die Männer waren noch in der Nacht nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 in der Wolfsschanze im Hof des Berliner Bendler-Blocks erschossen und am folgenden Tag zunächst auf dem Alten Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg beigesetzt worden.

Auf Befehl des SS-Chefs Heinrich Himmler grub man die Toten wieder aus, verbrannte sie und streute die Asche anschließend über den Rieselfeldern aus. So groß war der Hass des NS-Regimes auf seine Gegner.

Die Verhaftung Wentzels erfolgte zehn Tage nach dem Hitler-Attentat und stand, zumindest mittelbar, damit in Zusammenhang. Auch Wentzels Frau Ella wurde inhaftiert und später in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert, die Familie vollständig enteignet.

Werdegang Wentzels und des Familienunternehmens mit Sitz in Teutschenthal

Nach dem 2018 im Hasenverlag Halle erschienen Buch „Aufstieg und Fall. Carl Wentzel und sein Agrarunternehmen“ von Eva Scherf hat jetzt der pensionierte Diplomat Andreas von Mettenheim im Berliner Lukas Verlag die umfangreiche Monografie „Carl Wentzel-Teutschenthal 1876–1944. Ein Agrarunternehmer im Widerstand“ vorgelegt.

Mettenheim schildert darin zum einen ausführlich den Werdegang Wentzels und des Familienunternehmens mit Sitz in Teutschenthal unweit der Stadt Halle, das einer der größten - und ein sehr sozialer Arbeitgeber in der mitteldeutschen Region gewesen ist. Im Kern geht es dem Autor jedoch um die Frage, inwieweit Wentzel tatsächlich mit dem Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime verbunden war - und welche Position die deutsche Wirtschaft überhaupt in dieser Hinsicht einnahm.

Dass viele Unternehmen glänzende Geschäfte mit den Nazis gemacht und Zwangsarbeiter ausgebeutet haben, ist inzwischen hinlänglich aufgearbeitet worden. Was nun den Widerstand betrifft, kommt Mettenheim zum nüchternen Befund, Persönlichkeiten aus der Wirtschaft hätten hier überwiegend ein „merkwürdig blasses Kapitel geschrieben“.

Auch der nach seinem Gründer und Chef Paul Reusch benannte, exklusive Kreis von Industriellen und Gutsbesitzern plante den Sturz des NS-Systems nicht primär, sondern war eher eine vertrauliche Ideenbörse. Dabei ging es auch darum, ob es nach dem Sturz Hitlers nicht gemeinsam mit den West-Alliierten gegen Stalins Sowjetunion gehen könnte. Das erinnert an die mysteriöse Mission, in der Rudolf Hess, Hitlers Stellvertreter, 1941 nach England geflogen war.

Carls Wenzel galt als kritischer Konservativer

Wentzel gehörte dem Reusch-Kreis an, auf seinem Schloss sprach der vormalige Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler über Umsturzpläne. Insofern muss man Wentzel, einen kritischen Nationalkonservativen und freien Denker, fraglos dem Widerstand zurechnen. Er hat dafür wie Stauffenberg, Goerdeler und viele andere Mutige mit dem Leben bezahlt.

Andreas von Mettenheim: „Carl Wentzel-Teutschenthal 1876 -1944. Ein Agrarunternehmer im Widerstand“, Lukas Verlag Berlin, 320 S., 24,90 Euro

(mz)