"Das siebte Kreuz" als Comic "Das siebte Kreuz" als Comic: Erfolgsroman mit spitzer Feder

Halle (Saale) - Comic-Adaptionen von Romanen, sogenannte Graphic Novels, erfreuen sich wachsender Beliebtheit auf dem Buchmarkt. Nicht nur in den Vereinigten Staaten, dem Mutterland der Bildgeschichte, sondern auch hierzulande. So erschien im vergangenen Jahr Sven Regeners Kultroman „Herr Lehmann“ mit Schwarz-Weiß-Bildern des Berliner Illustrators Tim Dinter als Graphic Novel.
Der Begriff wurde erst 1978 geprägt und meint einen anspruchsvollen Comic von epischen Ausmaßen. Die erste Roman-Bearbeitung, die dieser Definition entspricht, war die 1929 veröffentlichte Comic-Version von „Tarzan“ aus der Feder von Hal Foster, der auch „Prinz Eisenherz“ erfand.
Roman als internationaler Erfolg
Weitgehend unbekannt ist, dass 1942 in den USA eine Comic-Adaption von Anna Seghers Roman „Das siebte Kreuz“ erschienen ist. Erst jetzt, 73 Jahre nach der Erstveröffentlichung in diversen US-Zeitungen, erscheint die Bildgeschichte, herausgegeben und mit einem Nachwort von Thomas von Steinaecker versehen, erstmals auf Deutsch und in Buchform.
Anna Seghers Roman „Das siebte Kreuz“ war ebenfalls im Jahr 1942 erschienen und wurde zu einem sensationellen Erfolg. Allein in den Vereinigten Staaten wurden von der englischen Übersetzung innerhalb eines halben Jahres 412 000 Exemplare verkauft. Wesentlichen Anteil daran hatte der „Book of the Month Club“ – der die Geschichte von Georg Heisler, der aus dem fiktiven deutschen Konzentrationslager Westhofen flieht – in sein Programm aufnahm, das in den 1940er Jahren eine halbe Million Abonnenten erreichte.
Die Idee, Veröffentlichungen des Buchclubs als Comic-Versionen in Printmedien zu veröffentlichten, hatte William Randolph Hearst. Der war nicht nur der Eigentümer mehrerer Zeitungen, sondern er hatte auch eine Schwäche für das Medium Comic. Und so gab er Bearbeitungen von Romanen als Bildgeschichten in Auftrag, die im „Book of the Month Club“ erschienen. Den Auftakt zu der Reihe machte „The Seventh Cross“ von Anna Seghers. Angekündigt wurde die Geschichte als „complete pictorial version“ und beworben als „first great event“.
Die „Light-Version“ von Seghers Roman erschien in 30 Teilen, begleitet von nur 500 Wörtern pro Folge. Das heißt der Text wurde drastisch gekürzt, der Roman, der zahlreiche Nebenhandlungen aufweist, fast ausschließlich auf die Flucht von Georg Heisler reduziert. Nach der Lektüre habe man das gute Gefühl haben dürfen, so der Herausgeber, „mitreden zu können, ohne sich durch die 400 Seiten des Originals gearbeitet haben zu müssen“. Denn Zeit ist bekanntlich Geld.
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An der Comic-Adaption ihres Textes hat Seghers nicht mitgewirkt. Es ist auch nicht belegt, dass sie mit dem Illustrator in Kontakt gestanden hätte. Der nannte sich William Sharp. Eigentlich hieß er Leon Schleifer und hatte eine Biografie, die Parallelen zu der von Seghers aufweist. Wie die Schriftstellerin, so wurde auch der Grafiker im Jahr 1900 als Kind jüdischer Eltern geboren.
Wie sie, so musste auch Schleifer nach der Machtübernahme der Nazis wegen seiner ethnischen Herkunft und politischen Gesinnung fliehen. Die Seghers fand für mehrere Jahre in Mexiko eine Bleibe, Schleifer ging nach New York, wo er sich als Karikaturist etablieren konnte.
Den Namen Sharp (Scharf) habe Schleifer gewählt, so Steinaecker, weil er eine ebenso spitze wie scharfe Feder geführt habe. Mit Erfolg: Sharps Arbeiten erschienen in namhaften Periodika wie „The New York Times Magazine“ und „Life“.
Im Gegensatz zu landläufigen Comics gibt es hier keine Sprechblasen, sondern der Text steht unter den Schwarz-Weiß-Bildern. Diese hat Sharp mit expressionistischem Strich gezeichnet. Dem Zeitgeist folgend, sind seine Figuren, vor allem die Nazi-Schergen, als Typen skizziert: Schmallippig-verhärmte Beamte mit Mittelscheitel wie der KZ-Kommandant Fahrenberg oder übergewichtige Finsterlinge in schwarzer SS-Uniform.
Comic in Vergessenheit geraten
Georg Heisler jedoch ist nicht das, was man einen „Helden“ im landläufigen Comic-Verständnis nennt. Groß gewachsen, durch die KZ-Haft aber ausgezehrt, lässt Sharps Georg Heisler keinerlei Gefühlsregungen erkennen. Sein Gesicht bleibt vom ersten bis zum letzten Bild seltsam maskenhaft, mag es auch individueller gestaltet sein als die Nazi-Physiognomien.
Nach dem internationalen Erfolg vor 1945 begann die Rezeption von „Das siebte Kreuz“ hierzulande erst ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit der deutschen Erstausgabe, die 1946 im Ost-Berliner Aufbau-Verlag veröffentlicht wurde. Die Comic-Adaption des Buches war da schon in Vergessenheit geraten – und sie blieb es ein Menschenleben lang: bis jetzt. (mz)
Anna Seghers und William Sharp: Das siebte Kreuz. Aufbau Verlag, Berlin, 92 Seiten, 18 Euro
