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Das blutende Herz Das blutende Herz: Die wilden Affären der Künstlerin Frida Kahlo

Von Andreas Montag 09.03.2021, 07:00
Frida Kahlo (m.) und Diego Rivera (r.) waren zwei Mal verheiratet.
Frida Kahlo (m.) und Diego Rivera (r.) waren zwei Mal verheiratet. www.imago-images.de

Halle (Saale) - Sie war hochbegabt. Frida Kahlos weltweiter Ruhm als Malerin wächst immer noch an, längst ins Legendenhafte. Sie begehrte Anerkennung und wurde begehrt - eines der anhaltenden Missverständnisse zwischen Männern und Frauen.

Allerdings, sie war schön. Aber auch sehr verletzlich, weil sie Verletzungen erlitten hatte - körperliche wie seelische. Letztere fügte ihr Diego Rivera zu, der Malerstar und Kommunist aus Mexiko. Der Mann, von dem sie sich 1939 scheiden ließ, weil er sogar mit ihrer Schwester Cristina ein Verhältnis unterhalten hatte. Ein Jahr später, aus New York und Paris zurück, heiratete Frida den untreuen Rivera ein zweites Mal.

Affären mit Trotzki und Berggruen

Sie hat ihn freilich auch betrogen. Der vor Stalin nach Mexiko geflohene, 1941 von einem Sowjetagenten ermordete russische Revolutionär Leo Trotzki, den das Paar zusammen mit seiner Frau Natalia Sedowa bei sich aufgenommen hatte, zählte zu ihren Liebhabern.

Der Deutsche Heinz Berggruen ebenso, der ein bedeutender Kunstsammler werden sollte. Und der amerikanische Fotograf Nickolas Muray.

Widerstand gegen veraltete Rollenklischees

Rivera war rasend eifersüchtig. Ein weiteres Missverständnis, das auf alten Rollenbildern fußt: Die Frau gehört dem Mann. Kahlos Widerstand, ihre Selbstbehauptung als Frau haben zu ihrem Ruf beigetragen. Und bei allem ist sie auch geheimnisvoll geblieben.

Ein Rätsel ist die offenbar leidenschaftliche Beziehung Frida Kahlos zu dem kunstbegeisterten Franzosen Michel Petitjean. Dazu kam es während ihres Paris-Aufenthalts im Jahr 1939.

Der Dichter und Surrealismus-Papst André Breton und seine Frau, die Malerin Jacqueline Lamba, waren zuvor in Mexiko bei Rivera und Kahlo gewesen und hatten ihre Gastgeberin eingeladen.

Buch beleuchtet Affären von Frida Kahlo

Auch eine eigene Ausstellung hatten sie ihr versprochen, zu der es dann allerdings so nicht  kam. Immerhin konnte sie an einer Gruppenschau teilnehmen, die Breton gemeinsam mit anderen organisierte.

In der Galerie traf die 32-jährige Frida den drei Jahre jüngeren Michel Petitjean. Dessen Sohn Marc, 1950 geboren, hat ein Buch über die geheime Affäre der Malerin mit seinem 1993 gestorbenen Vater geschrieben, auf Deutsch ist es bei Schirmer/Mosel in München erschienen.

Kunst als Ventil

Diese Beziehung wäre vielleicht weniger erwähnenswert, spielte nicht auch ein Bild eine Rolle dabei: „Erinnerung oder Das Herz“, das Kahlo 1937 gemalt hatte und dem Kommunisten Petitjean schenkte. Das Gemälde steht in offenkundiger Beziehung zu eigenen Traumata.

1907 als Tochter des aus Deutschland nach Mexiko eingewanderten Fotografen Guillermo (Wilhelm) Kahlo geboren, litt sie lebenslang an den Folgen der Kinderlähmung. Zudem wurde der Oberkörper der 18-Jährigen bei einem Unfall von einer Stange durchbohrt, sie musste ein Stützkorsett tragen und war lange bettlägerig. Ein Jahr später, mit 19, begann sie malen.

Ängste in Bilderform

Kahlos Bilder sind farbsatt und voller Bezüge zur mexikanischen Kultur. Manche ihrer Werke  haben  einen surrealistischen Ton wie jenes kleinformatige, in Öl auf Metall ausgeführte, das lange bei den Petitjeans im Wohnzimmer hing und heute zu einer amerikanischen Privatsammlung gehört.

Die Bezüge des Dargestellten zu Kahlos Ängsten sind unübersehbar: Die zentrale Figur hat keine Hände, vor ihr liegt ein großes Herz, aus dem Blut spritzt. Die linke Brust der Frau ist leer und wird von einem Stab durchstochen.

Flankiert wird die Szene von zwei Kleidern, deren Bügel an Fäden hängen wie Marionetten, von höheren Mächten geführt. Das eine Kleid erinnert an eine Schuluniform, das andere ist eines der traditionellen mexikanischen Gewänder, wie Kahlo sie trug und später gegen westliche Kleidung tauschte - zum Missfallen Riveras.

Liebevolle Worte an Michel Petitjean

Marc Petitjean hat seinen Vater nie über seine große Liebe sprechen hören. Aber sie wird ihm nahe gewesen sein. „Ich vergesse Dich nicht, ich verbringe nach wie vor viel Zeit vor Deinem Bild. Ich verstehe nicht, weshalb Du so nett warst mit mir, der ich nur armseliger Durchschnitt bin. Ich küsse Dich so, wie ich Dich liebe. Michel“, hat er Frida geschrieben.

Der Brief wurde in Kahlos Archiv in Mexiko gefunden. Sie hatte ihm, nach ihrer Abreise von Bord des Schiffes „Normandie“ telegrafiert: „Ich denke viel an Dich, Michel“. Weitere Botschaften von ihr an seinen Vater hat der Sohn nicht gefunden. Der Rest wird ein Geheimnis bleiben. 1953 ist Frida Kahlo gestorben, mit 46 Jahren. (mz)

>> Marc Petitjean: Das Herz - Frida Kahlo. Eine Liebesaffäre in Paris,
Frühling 1939, Schirmer/Mosel,
München, 200 S., 22 Euro
Helga Prignitz-Poda: Frida Kahlo. Die Malerin und ihr Werk, Schirmer/Mosel, München, 264 S., 34 Euro