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Daniel Barenboim im Leipzig Daniel Barenboim im Leipzig: Den Atem anhalten

Von Sigrid Neef 05.04.2001, 15:44

Berlin/MZ. - Ein Pianist sitzt am Flügel, fabuliert in schlicht-schönem Piano eine unendliche Geschichte - und fast 2000 Menschen halten den Atem an. Weltstar Daniel Barenboim eröffnete am Mittwoch mit Mozarts C-Dur-Sonate, KV 330, seinen Klavierabend im ausverkauften Gewandhaus.

Die internationale Pianistenkarriere des gebürtigen Argentiniers begann in den 50er Jahren mit Konzerten in London, New York und Paris und zahlreichen Platteneinspielungen. Einige Jahre später folgte sein Debüt als Operndirigent auf dem Edinburgh Festival. Seit 1991 leitet Barenboim das Chicago Symphony Orchestra und ist seit 1992 auch Generalmusikdirektor der Deutschen Staatsoper Berlin. Seine Karriere als Pianist integriert er in die des Dirigenten: Klavierabende sind ein Teil seiner künstlerischen Tätigkeit. Den Mozart hatte er noch mit federnder Hand, nahezu im rasanten Presto beendet. Beethovens Opus 57, "Appassionata" begann Daniel Barenboim verhalten und mit gezügelter Kraft, sehr überlegt und schwergewichtig interpretierte er die große Sonate.

Dem schwermütigen Sinnieren des ?Andante con moto? mit seinen jäh herausbrechenden, immer weichen, aber schweren Sforzato-Akzenten folgte ein Schlusssatz unter ungeheurer Hochspannung. Das Publikum war in einem funkelnden Bogen gefangen, unter dem sich scheinbar unendliche Möglichkeiten Bahn brachen.

Der zweite Teil des Abends war Werken von Franz Liszt gewidmet und nun saß Dirigent und Theatermann Barenboim am Flügel. Erneut ganz zauberischer Fabulierer, ließ er die poetischen "Tre Sonetti del Petrarca" auch noch im äußersten Pianissimo voller Tiefe aufblühen. In den abschließenden Konzert-Paraphrasen nach den Verdi-Opern "Aida" und "Rigoletto" zeigte Daniel Barenboim alle Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des Flügels. Der Weltklassemusiker spielte die Lisztschen Opernbearbeitungen genial - aber "nur" ein Flügel vermag letztendlich einen Verdi nicht zu füllen. Das zeigte sich weniger bei "Aida", als vor allem im "Rigoletto-Quartett". Die Schwere und Süße, die Atemlosigkeit, die gespenstischen Schatten, all die Farben dieses wunderbaren Quartetts hatte Ba-renboim (und auch Liszt) durchaus in der Hand. Doch trotz der Bedeutungsschwere blieb es bei einem geschönten Verdi, bei Tragik light.

Standing Ovations vom rasenden Publikum für einen Künstler, der seine Weltklasse bis zur spannungsgeladenen Zartheit der vierten Zugabe unter Beweis stellte.