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Senior-Voice-Gewinner Dan Lucas Dan Lucas: The Voice Senior Gewinner im Porträt

Von Steffen Könau 05.05.2019, 06:00
Sänger Dan Lucas im Finale der Show "The Voice Senior".
Sänger Dan Lucas im Finale der Show "The Voice Senior". Sat.1

Es hielt sie nicht lange auf ihren absurd großen Sesseln, die Mitglieder der Jury der Sat 1-TV-Casting-Show „The Senior Voice“. Pop-Sänger Mark Forster ruderte wild mit den Armen, sein Kollege Sasha nebenan hüpfte im Sitzen und die BossHoss-Männer Sascha Vollmer und Alec Völkel schauten sich an, als sei gerade ein Ufo im Studio gelandet.

Dabei war dort vorn auf der gewaltigen Bühne nur ein Mann in Hemd und Sakko, der mit geschlossenen Augen John Farnhams Hit „You’re the Voice“ so inbrünstig sang, als gehe es um sein Leben.

Dan Lucas aber war nur mehr oder weniger zufällig auf die Bühne in Berlin Adlershof geraten, auf der der Fernsehsender Sat.1 die oder den beste/n deutsche Sängerin und Sänger ab 60 Jahre suchte.

Schuld war DDR-Showlegende Angelika Mann, genannt „Lütte“, mit der Lucas seit vielen Jahren befreundet ist. „Sie sagte, dass es da dieses neue Format ,Voice Senior’ geben wird und dass ich da unbedingt mitmachen müsse“, erinnert sich der 65-Jährige, der zuerst abwinkte. Die „Lütte“ aber ließ nicht locker. „Irgendwann hatte sie mich dann überredet.“

Lucas kam, sang und siegte. Zuerst überstand er die sogenannten Scoutings, eine Art Vorrunde, dann auch die „Blind Auditions“ und die „Sing Offs“, bei denen der Musiker aus Bayern „Don’t stop believin’“ von der US-Rockband Journey rockte. Ein Lied, das davon handelt, nie aufzugeben, sondern an sich selbst zu glauben.

Dan Lucas: Ehrgeiziger Sänger wollte The Voice Senior gewinnen

Dan Lucas tat es. Er sang mit dem Herz im Hals. Der Saal jubelte. „Ab da wollte ich das Ding dann natürlich auch gewinnen“, sagt Dan Lucas, dessen klare und wie von innen leuchtende Stimme ihn anschließend ebenso souverän durch die Finalrunde trug, so dass der gebürtige Brandenburger am Ende wirklich mit dem Titel „The Voice Senior“ nach Hause ins Süddeutsche fahren konnte.

Es war wie das Ende einer langen Reise und sie führte den Mann, der früher einmal Lutz Salzwedel hieß, zumindest entfernt vorbei an den Orten, in denen seine Karriere begonnen hatte.

Passion hieß die Naumburger Band, in der Lucas damals noch als Lutz Salzwedel die ersten Schritte ins Profilager gewagt hatte. Bandchef Wilfried Gutjahr lebte in Leuna, Passion probte in Naumburg... „Ich bin zu den Proben und Auftritten viel mit meinem Trabi unterwegs gewesen“, schmunzelt Dan Lucas fast 40 Jahre später.

Damals ging ein Traum für den Spross einer Familie in Erfüllung, die bei Familienfeiern stets zur Band wurde. „Großvater Geige, Vater Klavier“, sagt Lucas, der schon als ganz kleiner Junge lauthals mitsang, was im Radio lief. Als er sich mit elf Jahren entscheiden soll, ob er Gitarre oder Fußball spielen will, braucht er kein langes Nachdenken.

„Mein Vater hat mir dann die erste Gitarre geschenkt und mit 15 begann ich, in einer Schülerband zu singen.“ Den Plan, ein richtiger Musiker zu werden, habe er damals allerdings nie gehabt, sagt Dan Lucas. „Ich habe studiert und als Lehrer gearbeitet und nebenher in einer Band gespielt.“

So zufrieden er damit ist, so sehr stört das seine Vorgesetzten. Deren Forderung, er müsse mit der Musik Schluss machen und sich auf seinen Job konzentrieren, gibt den Ausschlag: Statt zu gehorchen, kündigt Lutz Salzwedel seine sichere Stelle. „Ich habe dann Unterricht in Gesang, Gitarre und Musiktheorie genommen, um den Berufsausweis für Musiker zu machen“, sagt er.

Allerdings lässt das DDR-Bildungsministerium nicht mit sich spaßen. „Bis zum Beginn der Prüfungen war unklar, ob ich überhaupt teilnehmen kann.“ Erst im allerletzten Moment gibt die gefürchtete Abteilung Volksbildung den Abtrünnigen frei. „Nur so konnte ich meinen Berufsausweis erhalten.“

Gewinner von The Voice Senior: Dan Lucas spielte bei Karussell

Doch Lutz Salzwedel hat alles richtig gemacht. Schon wenig später kommt das Angebot aus Naumburg, bei Passion einzusteigen, einer Gruppe, die eine Musik macht, die Lucas als „sehr ungewöhnlich und weg vom Mainstream“ beschreibt. 

Er habe damals sehr viel gelernt, und bis heute noch Kontakt zu den ehemaligen Bandkollegen. „Es war eine interessante Zeit“, sagt er, auch wenn sie nur zwei Jahre gedauert habe.

Dann steht schon Wolf-Rüdiger Raschke vor der Tür, Chef der Leipziger Band Karussell und auf der Suche nach einem neuen Sänger, weil der legendäre Peter „Cäsar“ Gläser ausgestiegen war. „Es gab auch Angebote von NO55 und Stern Meißen“, erzählt Dan Lucas, „aber ich verstand mich mit Karussell-Gitarrist Tom Leonhard sofort sehr gut und so stieg ich bei Karussell ein.“

Eine Lebensentscheidung. Es wird die Gruppe aus Leipzig sein, die dem gerade 30 Jahre alten Familienvater nicht nur die Chance gibt, ein Popstar zu werden und auf großen Bühnen zu stehen, sondern auch die, die DDR zu verlassen. Die empfindet er zunehmend als einengend und erstickend.

Bei einem Gastspiel in der Bundesrepublik verschwinden der Sänger und der Gitarrist im frühen Morgengrauen aus dem Hotel. „Das war mit Tom schon länger abgesprochen und mit der Familie verabredet.“

Die DDR rächt sich auf ihre Weise. „Meine damalige Frau und die Kinder stellten einen Ausreiseantrag zur Familienzusammenführung und spätestens nach einem Jahr hätte das geräuschlos über die Bühne gehen sollen.“ Dann aber sperren die Behörden Lucas’ Frau ins Gefängnis, die gemeinsamen Kinder entkommen dem Heim nur, weil der Schwiegervater sich bereit erklärt, sie zu betreuen. „Erst nach neun Monaten Gefängnis wurde meine Frau freigekauft und die Kinder aus der DDR entlassen.“

Lutz Salzwedel ist da schon ein Traumstart im Westen gelungen. Mit der Hardrockband Karo spielt er vor Nena und Meat Loaf, er singt ein Album ein und landet bei einer Plattenfirma, die dem Sänger mit dem langen Blondhaar und der Jahrhundertstimme eine Weltkarriere zutraut. „Deshalb nahm ich den Künstlernamen Dan Lucas an, der nun schon seit über 25 Jahren in meinem Pass steht.“

Für Lucas erfüllen sich nun sogar Träume, die Lutz Salzwedel nie zu träumen gewagt hat. Er lebt in L.A. und arbeitet mit Musikern und Autoren wie Desmond Child, Lisa Dalbello, Kane Roberts und Robin Beck zusammen, er geht in Kanada mit Loverboy ins Studio und singt in „Heart of America“ so glaubwürdig über die Mythen von Highways, Freiheit und der Möglichkeit von Glück, egal, wo jemand herkommt, dass McDonalds das Lied in einen Werbespot einbaut.

Viel höher geht es nicht. „Danach war ich weiter musikalisch tätig“, sagt Dan Lucas. Er schreibt Songs für andere und steht am Wochenende auf der Bühne, seit 2011 mit der Coverband Helter Skelter, die den klassischen Rock von Bands wie Pink Floyd, Led Zeppelin und The Who in oft ausverkaufte Hallen bringt.

Beruflich aber hat Dan Lucas sich neu orientiert, er arbeitet als Sozialpädagoge, eine Art Rückkehr zu seinen Lehre-Anfängen in der DDR. Mit „Senior Voice“ gelingt ihm dann auch noch das Comeback auf der großen Bühne, genau im richtigen Augenblick, denn mit 65 hat Dan Lucas alle Zeit für die Musik. Und große Lust darauf: Gerade erst stand er mit Purple-Röhre Ian Gillan bei „Rock Classics“ auf der Bühne, zudem gibt es einen neuen Plattenvertrag und schon in diesem Monat einen ersten Studiotermin für eine Single.

››Dan Lucas ist mit Helter Skelter am 4. Mai in Dresden, am 14. Juni in Pirna, am 15. in Leipzig

Mit Karussell (o.) feierte Lutz Salzwedel Erfolge in den Charts. 
Mit Karussell (o.) feierte Lutz Salzwedel Erfolge in den Charts. 
Archiv Dan Lucas
Als Dan Lucas arbeitet er in den USA mit Stars wie Robin Beck. 
Als Dan Lucas arbeitet er in den USA mit Stars wie Robin Beck. 
Archiv Dan Lucas