«Damenopfer» - Ulrike Zubals virtuoses Spiel mit den Lesern
Tübingen/dpa. - «Ein Leben ohne Geheimnis ist kein Leben», heißt es in Ulrike Zubals neuem Roman «Damenopfer». Diesem Leitsatz gemäß hat die Stuttgarter Autorin eine sehr lebendige Geschichte geschrieben: ein ebenso kunstvoll wie spannend konstruiertes, dabei auch sprachlich einnehmendes Werk über Spiel und Ernst, Leidenschaft und Liebe, menschliche Schwächen und mysteriöse Verwicklungen.
Es geht um Schach - und um viel mehr. Vor allem auch um die in der Romantik geborene Idee, dass die Wirklichkeit nur ein Gedankenspiel ist und «wir alle Figuren eines Romans seien, von uns selbst ausgedacht». Zubal versteht es, diese These nahezu spielerisch mit Leben zu erfüllen. Der Leser merkt dem Buch an, mit wie viel Lust es geschrieben worden ist.
Auf zwei Zeitebenen wird vom Schicksal zweier Liebespaare berichtet: Das eine, die Studentin Carla und ihr angebeteter Literaturprofessor Chris, stoßen bei Nachforschungen nach einem alten, nur zum Teil erhaltenen Satz Schachfiguren auf dessen früheren Besitzer, den Renaissance-Dichter Filippo Gattoni und seine Geliebte Francesca. Carla reist in die Toskana, um mehr über Gattoni und den Verbleib der Figuren zu erfahren, denn nur 15 von ihnen werden in einem kleinen Heimatmuseum in den Pyrenäen aufbewahrt. Auf ihrer Reise in das Florenz der Medici im 15. Jahrhundert taucht Carla immer tiefer in die Welt Filippos und Francescas ein, deren Geheimnisse sie Zug um Zug zu entschlüsselt. Am Ende findet sie nicht nur die Schachfiguren und als letztes die Dame, die Francesca im Spiel so trefflich einzusetzen wusste, sondern bringt auch Licht in das Dunkel um Gattonis hinreißende Dichtung.
Im Verlauf der Lektüre offenbaren sich immer mehr Parallelen zwischen den beiden Paaren: die Leidenschaftlichkeit ihrer Gefühle ebenso wie das unglückliche Ende ihrer Beziehungen. «Alles war schon einmal dagewesen, und viele Male», erkennt Carla, «und würde wiederkehren und würde genau sein wie jetzt.» Und so wie das Gambit, das Damenopfer, im Schach nur eine vorgetäuschte Niederlage ist vor dem entscheidenden Zug zum Sieg, so rächen sich die beiden vermeintlichen Opfer Carla und Francesca am Ende an ihren skrupellosen Geliebten.
Doch bis es so weit ist, hat der Leser noch eine mitunter Konzentration erfordernde, zugleich aber höchst faszinierende Reise vor sich, in der die Grenzen zwischen Dichtung und Wahrheit kaum noch auszumachen sind. Vor allem Gattoni wirkt so lebendig, dass man am Ende kaum glauben mag, dass es ihn nie gegeben hat. Doch ebenso wie seine zauberhaften Gedichte ist er eine Schöpfung der Schriftstellerin, die mit dem Roman viele Bedürfnisse ihres Publikums stillt: Er ist fesselnd wie wie ein historischer Krimi, realistisch wie eine Lovestory aus dem heutigen Uni-Milieu, lehrreich und fantastisch zugleich.
Ulrike Zubal
Damenopfer
Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen
269 S., Euro 19,90
ISBN 978-3-940086-05-1