Comeback-Schau in Moritzburg Comeback-Schau in Moritzburg : Letzter Aufruf zu Feiningers Halle-Zyklus

Halle (Saale) - Sieben von ursprünglich elf Halle-Bildern von Lyonel Feininger auf einen Blick: Dieses Erlebnis wird es so schnell nicht wieder geben. Wenn überhaupt noch einmal. „Ich würde unterstellen“, sagt Thomas Bauer-Friedrich, „dass eine solche Zusammenschau in zehn oder 20 Jahren unmöglich sein wird.“
Der Direktor des Kunstmuseums Moritzburg kennt den Zustand jedes Bildes, das 1931 im Auftrag der Stadt Halle im Torturm-Atelier der Moritzburg entstanden war. Das Gemälde „Die Bölberggasse“ ist zerstört. „Die Türme über der Stadt“, aufbewahrt in Köln, und „Ostchor des Domes in Halle“, ausgestellt in Hamburg, werden von den Restauratoren nicht mehr für Ausleihen zugelassen. Gegen die in Wuppertal ausgestellte „Marktkirche bei Nacht“ laufen Restitutionsforderungen. Das, was jetzt in Halle zu sehen ist, wurde - neben den drei eigenen Bildern - in Mannheim, München, Mülheim und Berlin zusammengetragen.
Es ist sozusagen ein letzter Aufruf, um Feiningers legendären Halle-Zyklus zu sehen, der noch bis 12. Januar mit der Ausstellung „Bauhaus Meister Moderne. Das Comeback“ präsentiert wird. Eine Verlängerung dieser erstaunlichen Schau wird es nicht geben. Ein Wiedersehen mit den 40 Werken, die nach ihrem Abgang aus der Moritzburg im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ noch einmal zurückkehrt sind, wird dann anderswo stattfinden - Begegnungen mit Kandinsky, Nolde, Marc oder Klee.
Händel war schuld
„Die Moderne wird immer schwerer ausleihbar“, sagt Bauer-Friedrich. Bilder, die oft schnell und unakademisch entstanden waren, mehr um Erlebnisnähe im Ausdruck als um Haltbarkeit im Material bemüht. Fragile Bildträger, erschütterbare Malschichten, oft nur auf Pappe oder Holz aufgetragen. Bei den zwei nicht mehr transportierbaren, auf Leinwand gefertigten Feininger-Gemälden handelt es sich um die helleren Halle-Ansichten, deren Farbauftrag offenbar prekär ist.
Die sieben Feininger-Bilder werden nebeneinander im Halbrund gezeigt. Keines ist mehr im Originalrahmen gefasst. Aber es gibt Rahmungen, die dem Original nahekommen: breit, angeschrägt, kastenartig. 1937 waren die Bilder beschlagnahmt, aber nicht in der Feme-Ausstellung „Entartete Kunst“ in München gezeigt worden. Auch in Halle gab es eine solche Schau, 1941 veranstaltet in der „Landesanstalt für Volkheitskunde“, heute Landesmuseum für Vorgeschichte.
Die Feininger-Bilder wurden - wie die meisten anderen auch - nach 1937 von lizenzierten Händler verkauft und gegen Devisen in Umlauf gebracht - ein Fall von Kommerzieller Koordinierung wie später im Kunsthandel der DDR. Es ist weniger der moralische Skandal, der im nachhinein bei der kulturpolitischen NS-Aktion erstaunt, als die durch Gesetze geregelte rechtsstaatliche Reibungslosigkeit des Verfahrens. Die „verlorenen“ waren von den Museen verkaufte Bilder, weshalb diese die Werke heute neu erwerben müssen, wenn sie zu finden und bezahlbar sind.
Die in Halle jetzt mittig präsentierte „Marktkirche zur Abendstunde“ wurde im Viktoriaspeicher in Berlin-Köpenick deponiert. War das Bild noch im Januar 1937 in Halle von dem Schriftsteller Samuel Beckett besichtigt worden, fand es in der Lagerhalle an der Spree nur noch einen prominenten Betrachter. Im Ausstellungskatalog findet sich ein Foto, das Hitler beim Sichten der Köpenicker Bestände zeigt. Links von ihm steht Feiningers hallesche „Abendstunde“.
Die Sichtbarmachung der Bildverluste nach 1937 ist eine Leistung der von Thomas Bauer-Friedrich, Anke Dornbach und Susanna Koller kuratierten Ausstellung. Aber nur eine unter anderen. Überraschender ist die Tatsache, dass die Schau die Moritzburg neu sehen lernt, indem sie deren Erwerbspolitik mit den einzelnen Direktoren Max Sauerlandt, Burkhard Meier (wenn war von dem nachmaligen Kunstverleger schon einmal öffentlich die Rede?), Paul Thiersch, Alois J. Schardt und Hermann Schiebel sichtbar macht - also die Jahre von 1908 bis 1939, danach gab es nur noch öde Kunstbetrachtung.
Aber bis dahin ein Sammeln von Kunst am Puls der Zeit; kein Werk war zur Kaufzeit älter als fünf Jahre. Zwischen den politischen Fronten fand ein Taktieren statt, das Schardt und Schiebel in die NSDAP führte, von der noch nicht klar war, wohin sie kunstpolitisch ziehen würde. Schardt stellte sich über drei Jahre taub gegenüber den Forderungen, die junge Moderne in einer „Schreckenskammer“ im Talamt zusammenzufassen. Schardt trug brandschutzrechtliche Bedenken vor. Bis die große Ausstellung zum 250. Händel-Geburtstag 1935 fällig war, für die das Talamt geräumt werden musste und das Problemkunst-Depot von selbst entstand. Händel war schuld.
Meissen von Kandinsky
Interessant ist alles, was nach 1937 in Halle verblieben ist, bisher aber kaum sichtbar wurde. Großformatige Papiermalereien von El Lissitzky zum Beispiel; man war unsicher, wie man mit den Arbeiten eines Russen umgehen sollte. Lithografien von Kirchner, von denen eine den Zoo in Halle zeigt. Kandinskys farbige Dekor-Entwürfe für Teller und Tassen, die jetzt von der Meissen-Manufaktur umgesetzt worden sind, die Tasse für etwa 99 Euro.
Ein Erlebnis ist es, die in der Moritzburg überlieferten Arbeiten von Curt Hermann, Paul Klee und Hans Reichel sowie die ausgeliehenen Bilder von Max Liebermann und Christian Rohlfs zu sehen. Von letzterem ist - neben der Kohlezeichnung „Marienkirche“ von Feininger - dieser Tage die Aquarell-Studie eines Baumstammes zurückerworben worden, gestempelt: „Städt. Moritzburg-Museum Halle, Paradeplatz“. Ein vorweihnachtliches Weihnachtsgeschenk für eine Ausstellung, die zwischen den Jahren zwischen die Zeiten führt.
››Das Comeback: bis 12. Januar. Mo-Di, Do-So 10-18 Uhr. Am 24. und 31.12. geschlossen. Katalog, 450 Seiten, im Museum 29,90 Euro (ansonsten 40 Euro) (mz)
