Cher feiert Geburtstag Cher feiert Geburtstag: Die nackte Kanonierin
Halle (Saale) - Im Moment ihres größten Triumphes trug Cherilyn Sarkisian eine Art Kunstledereinteiler, grobmaschige Strumpfhosen mit Strapsen, eine Lederjacke und eine an grobe Strickwolle erinnernde Frisur. In hohen Stiefeln tanzte sie über das Deck des Schlachtschiffs USS Missouri und sie ritt sogar auf einem Kanonenrohr, bejubelt von frenetisch winkenden Matrosen. „If I Could Turn Back Time“, sang die Frau, die sich seit 1964 nur Cher nennt: Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte.
Ein Skandalvideo, das der Sender MTV damals, anno 1989, sofort auf den Index setzte. Für Cher aber, heute vor 70 Jahren in der Kleinstadt El Centro an der Grenze zwischen Kalifornien und Mexiko geboren, der Beweis, dass sie wieder da war, wo sie hingehörte: Ganz oben bei den Plattenmillionären, den Pop-Ikonen und Menschen, die wie Elvis oder Prince keinen Nachnamen mehr brauchen.
Der Weg dorthin war lang, gerade weil er so früh begonnen hatte. Nach der Scheidung der Eltern aufgewachsen in einer Adoptivfamilie, zog es die ausnehmend hübsche Cherilyn schon als Teenager aus dem Haus. Mit 16 trifft sie den zehn Jahre älteren Sonny Bono, einen Sänger und Schürzenjäger, in den sie sich verliebt und der sie heiratet. Gemeinsam machen beide Karriere. Sonny und Cher landen mit „I Got You, Babe“ einen Welthit, eine Fernsehshow folgt. Cher hat mit „Bang Bang (My Baby Shot Me Down)“ ihren ersten Soloerfolg, sie ist häufig auf dem Cover der Modebibel „Vogue“ und wird in Las Vegas und bei den Grammys gefeiert.
Ein Traum, der sich zum Alptraum wandelt, als Cher beschließt, Sonny Bono zu verlassen. Die Scheidung ist ein Krieg. Zeitweise ist Cher mittellos, wenig später aber schon wieder die erfolgreichste Showmasterin im US-TV.
Nun ist Hollywood dran. Mit „Die Maske“, „Die Hexen von Eastwick“, „Mondsüchtig“ und „Meerjungfrauen küssen besser“ wird aus der Mittvierzigerin ein Kinostar, der bei jeder Gelegenheit mit Nacktheit schockt. Zur Oscar-Verleihung erscheint sie im durchsichtigen Kleid und ohne Unterwäsche. Zu „Wetten, dass..?“ kommt sie in einem so winzigkleinen Schwarzen, dass die Fernsehsofas beben.
Es ist der Beginn des dritten Lebens von Cher Sarkisian, das aus der Sängerin, der Moderatorin, der Schauspielerin einen echten Weltstar machen wird. Es regnet Hits, goldene Schallplatten, Rekorde. Cher macht Pop und Techno, sie ist Disco-Ikone, erfolgreichste weibliche Live-Künstlerin aller Zeiten, Regisseurin, Gesangspartnerin ihrer Mutter Georgia Holt und auf ausverkauften Tourneen immer wieder die provokant jugendliche Oma Gaga. Längst im Rentenalter, aber dank ständiger Reparaturen im OP-Saal auf der Bühne nicht von einer halb so alten Künstlerin zu unterscheiden. Cher, Mutter des 47-jährigen Chaz Bono, der früher ein Mädchen war, und von Elijah (39), wie sein Vater Greg Allman Musiker, hat sich am Ende selbst in ihr größtes Kunstwerk verwandelt. (mz)
