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Zeitgeist „Montecrypto“ - Die Jagd nach dem virtuellen Schatz

Bitcoins, Shitcoins und der Dollar - Tom Hillenbrands neuer Krimi dreht sich um das Universum der Kryptowährungen. Das ist nicht nur komplex, sondern auch politisch höchst brisant.

Von Birgit Zimmermann, dpa 20.04.2021, 08:15
Der Kriminalroman „Montecrypto“ von Tom Hillenbrand.
Der Kriminalroman „Montecrypto“ von Tom Hillenbrand. Kiepenheuer & Witsch/dpa

Leipzig

Gregory Hollister, Kryptowährungs-Pionier aus Kalifornien, ist mit einem Flugzeug abgestürzt. Er hinterlässt nicht nur Juno, einen von ihm einst gegründeten Krypto-Bezahldienstleister, den weltweit eine Milliarde Menschen nutzen. Sondern vermutlich auch ein riesiges Privatvermögen, das allerdings in Bitcoin angelegt ist.

Diesen digitalen Schatz soll der Privatermittler Ed Dante im Auftrag von Hollisters Schwester finden. Das ist das Setting, mit dem Tom Hillenbrand die Leserinnen und Leser seines neuesten Romans „Montecrypto“ in die Welt der boomenden Kryptowährungen mitnimmt

Der Verlag Kiepenheuer & Witsch labelt Hillenbrand als „Spannungsliteratur“. Und spannend geht es in „Montecrypto“ auf jeden Fall zu. Nicht nur Hollisters Schwester hat ein gesteigertes Interesse an seinem Vermächtnis. Auch die komplette Kryptoszene und einige Geheimdienste sind in Aufruhr. So kommt Ed Dante auch zu einer Gefährtin, der Tech-Bloggerin Mercy Mondego. Sie ist im Gegensatz zu dem analog denkenden Dante technisch auf Zack und rettet ihn ein ums andere Mal aus der Verlegenheit, wenn es um Clickfarmen oder die Blockchain-Technologie geht.

„Montecrypto“ trifft ziemlich perfekt den Zeitgeist. Kryptowährungen boomen nicht erst, seit Tesla-Chef Elon Musk Anfang Februar verkündet hat, 1,5 Milliarden Dollar in Bitcoin zu investieren. Das Krypto-Universum ist weit und für Laien schwer verständlich. Rund 6400 Kryptowährungen listet etwa die Webseite Coingecko. Der Grat vom Bitcoin zum Shitcoin, zum praktisch wertlosen Spielgeld, ist schmal. Was es überhaupt mit der Idee einer von Staaten und Zentralbanken unabhängigen Währung auf sich hat, das kriegen die Leserinnen und Leser von „Montecrypto“ ausgesprochen anschaulich erklärt.

Die Idee einer digitalen Schatzsuche habe ihn beschäftigt, seit er von einem Erben des Bankhauses Carnegie Mellon gehört habe, schreibt der Ex-Journalist Hillenbrand in einem Nachwort. Dessen fast vollständig in Kryptowährungen angelegtes Vermögen war nach seinem Tod unauffindbar - und wird es wohl auch für immer bleiben, weil der Mann die nötigen Passwörter für eine Entschlüsselung mit ins Grab genommen hat. In „Montecrypto“ geht es aber um mehr als ein Erbe. Mit jeder Buchseite wird klarer, dass Kryptowährungen für manche den Status einer Ideologie einnehmen - und dass sie inzwischen so mächtig sind, dass politische Interessen ins Spiel kommen.

Hillenbrand setzt beim Erzählen auf sein bewährtes Instrumentarium, das seine Fans etwa aus den kulinarischen Erfolgskrimis um den Luxemburger Koch Xavier Kieffer kennen: Eine fesselnde Geschichte wird mit einer flotten Schreibe kombiniert. Manchmal geht es dabei arg flapsig zu, etwa wenn der Brite Dante in Amerika eine Tüte Käsewürfel futtert: „Laut Etikett handelt es sich um Cheddar, was jedoch Unsinn ist. Echter Cheddar schmeckt anders. Außerdem leuchtet er nicht im Dunkeln.“ Das ist höchster Chlorhühnchen-Alarm.

Auch über die Figuren könnte man an mancher Stelle streiten. Wie glaubwürdig ist es zum Beispiel, dass Ed Dante mit Kryptowährungen nullkommanichts anfangen kann, obwohl er doch bis zur Finanzkrise Chief Compliance Officer bei der Bank „Gerard Brothers“ gewesen ist? Aber dadurch wird Platz an seiner Seite für die überaus pfiffige Mercy Mondego, ohne die Dante wohl aufgeschmissen gewesen wäre. Beide zusammen schaffen viel: Den Fall zu lösen - und die Leserschaft großartig zu unterhalten und ein ganzes Stück klüger zu machen.

- Tom Hillenbrand: Montecrypto, Kiepenheuer & Witsch, 448 Seiten, 16,00 Euro, ISBN 9783462001570.