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Belletristik Leif Randts neuer Roman: Gefühle mit Blur-Effekt

„Let's Talk About Feelings“ folgt einem zufriedenen Fortysomething durch sein Großstadtleben. Der Reiz des Buches liegt im Mix aus Berliner Coolness und emotionaler Distanz.

Von dpa 09.09.2025, 09:32
Leif Randts neuer Roman spielt zu weiten Teilen in Berlin - ohne ein Berlin-Roman zu sein. (Symbolbild)
Leif Randts neuer Roman spielt zu weiten Teilen in Berlin - ohne ein Berlin-Roman zu sein. (Symbolbild) Christophe Gateau/dpa

Berlin - Am Anfang wird die Asche aus einer Urne über den Wannsee im schicken Berliner Westen ausgestreut, am Ende löst sich ein Handjob-Orgasmus in ein Gebüsch im Plattenbau-Stadtteil Marzahn. Was sich zwischen diesen beiden Extremen eines Lebens im neuen Roman von Leif Randt abspielt, ist ganz unaufgeregt eine der heißesten Neuerscheinungen dieses Spätsommers. Fünf Jahre nach seinem Bestseller „Allegro Pastell“ gibt der Wahlberliner (41) seinem fünften Roman den durchaus passenden Titel: „Let's Talk About Feelings“.

Es geht um den 41-jährigen Marian Flanders, Sohn eines gerade gestorbenen Models und eines charismatischen Ex-Nachrichtensprechers und heutigen Tiktok-Stars. Voller Hingabe leitet er in Schöneberg eine Boutique mit hipper Designermode und Secondhand-Schätzen, wehrt sich aber lange gegen die Einführung eines Online-Shops. Gelegentlich hat er einen Flirt, bereist die Welt (Osaka, Neu-Delhi oder Rügen) und steht weitestgehend sicher im Leben - zumindest so, wie man es sich für Millennials im großstädtischen Trendbezirk vorstellt. Es herrscht eine zurückhaltende, fast langweilige Zufriedenheit mit der Gegenwart. Ein Hausverbot, wenn in der Kneipe Koks gezogen wird, bleibt da die Ausnahme.

Klinische Emotionen

Über Marian heißt es einmal, „er werde von den Menschen als freundlich empfunden“. In „Let's Talk About Feelings“ werden die Emotionen gern von außen erklärt. Als sich sein Kumpel Piet etwa einmal dafür entschuldigt, dass er auf Marians Schwester steht, sagt dieser: „Es muss dir nicht leidtun! Deine Gefühle sind vom Mainstream gedeckt.“

Der Roman lässt sich am besten wie hinter einem Filter mit Blur-Effekt vorstellen: Die aseptisch beschriebenen Innenleben bleiben uneindeutig, indirekt und sachlich. Leidenschaft und Überschwang sind gedimmt. Völlig ausbalanciert zeigt sich dieser Fortysomething, egal ob die Mutter stirbt oder sich ein Verliebtsein anbahnt. Der Roman beschreibt eine Realitätsflucht in die Realität, und nach und nach das leise, feine Keimen einer neuen Liebe.

Einmal heißt es im Buch: „Alles war vergleichsweise schön und humorvoll, konsumistisch und erbaulich gewesen.“ Dass das irgendwie auch auf den Roman zutrifft, sollte als Gütesiegel verstanden sein.

Im Rennen um Literaturpreis

Für „Let's Talk About Feelings“ könnte Randt eine der bedeutendsten literarischen Auszeichnungen im deutschsprachigen Raum erhalten: den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis. Ob er sich gegen Jonas Lüscher, Annett Gröschner, Dorothee Elmiger und Thomas Melle durchsetzen kann, zeigt sich am 1. November in Braunschweig.