1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Bildende Kunst: Bildende Kunst: Malerin Antoinette pflegt die Salonkultur

Bildende Kunst Bildende Kunst: Malerin Antoinette pflegt die Salonkultur

Von Andreas Montag 22.12.2013, 18:42
Antoinette vor dem Porträt des Arztes Wolfgang-Michael Handrack
Antoinette vor dem Porträt des Arztes Wolfgang-Michael Handrack Günter bersch Lizenz

Eberswalde/MZ - Eine Stadt von 40 000 Einwohnern, 60 Kilometer nordöstlich von Berlin gelegen, also noch im Speckgürtel der Hauptstadt - dort könnte auch genügsame Beschaulichkeit herrschen. Aber Eberswalde leistet sich den schönen Luxus einer Kulturszene, es gibt zum Beispiel eine „Kulturküche“, wo sich die Aktivisten treffen um gemeinsam zu kochen, zu essen und Pläne zu schmieden.

Es ist wie es ist: Die Dinge der Kultur stehen (oder fallen) durch den Einsatz von Personen. In Eberswalde gibt es eine Lobby für die These, dass man nicht allein von der Nähe zu Berlin leben kann. Das tut der Stadt sichtlich gut. Und es gibt Menschen wie die Malerin Antoinette. Die ist mit ihrem Partner von Berlin nach Eberswalde gezogen und macht der Gemeinde ein Geschenk mit ihrer Fantasie - und mit ihrer Prominenz, die andere nachzieht, die sonst vielleicht nie hierher gekommen wären.

Das Artemis Quartett hat den Saal gerockt

Friedemann Weigle zum Beispiel, der für den musikalischen Part im Salon Antoinette zuständig ist. Im Sommer hat sein Artemis Quartett, eines der führenden Streicherensembles überhaupt, in Eberswalde gastiert - ein furioser Auftritt, den man in Jugendsprache so beschreiben müsste: Das Artemis Quartett hat den Saal gerockt. Antoinette, die ihren Namen selber in Versalien schreibt, formuliert es kaum weniger euphorisch, durchaus zu Recht: „Sie haben wieder wie die Götter gespielt!“. Auf diesem Niveau soll es weitergehen, rund 50 Veranstaltungen hat Antoinette seit Gründung des Salons in Berlin im Jahr 2006 auf die Beine gestellt. Immer exklusiv, immer für einen eingeladenen Kreis.

Die Idee war zwei Jahre zuvor im Atelier entstanden, wo man sich im kleinen Kreis mit dem SPD-Politiker Egon Bahr zum Essen und Reden getroffen hatte. Und die eben fertige, in Bronze gegossene Büste Bahrs war auch dabei. Antoinette hat keine Scheu vor Politikern, warum auch. Sie ist neugierig auf alle und alles, sie schaut hin und hört gern zu, sogar während des Malens. Mit ihren „Berliner Porträts“, einer Serie von mehr als 100 lebensgroßen Pastellzeichnungen, hat sie ein regelrechtes „Who is Who“ der Hauptstadt in Bildern geschaffen - und scheinbar nebenher Interviews mit den Porträtierten geführt, das Ganze dokumentiert in einem Fotoessay von Günter Bersch. Die Verlegerin Friede Springer ist dabei. Der Dichter Volker Braun, dialektische Ikone der Ostliteratur ebenso. Der Kunstwissenschaftler Michael Freitag, zuletzt Leiter der halleschen Galerie Moritzburg. Wolfgang Krause-Zwieback, der wunderbare Grenzverletzer der Künste. Und die kompromisslose Sozialdemokratin Regine Hildebrandt, die den letzten Kampf gegen den Krebs 2001 verloren hat. Bis fast zu Hildebrandts Tod hat Antoinette am Bildnis der Frau gearbeitet, die so sehr an das Leben glaubte - und daran, dass man etwas tun muss für seine Träume.

Antoinette malte Selbstbildnisse in teils surrealistischen Landschaften

Hier werden sich beide, Malerin und Modell, sehr nahe gekommen sein. Auch Antoinette, die während der zweijährigen Arbeit an der Porträtserie abends Selbstbildnisse in teils surrealistischen Landschaften malte, ist ein träumender Tatmensch. Und sie spürt sehr genau, wann die die Dinge (und die Menschen) „echt“ sind. Und wann eben nicht.

Schon während ihre Studiums in Leipzig hat die 1956 in Dresden Geborene die höchsten Ansprüche an sich und andere gestellt. Sie brach die Ausbildung ab, studierte später in Berlin weiter, ging schließlich mit ihrem Sohn aufs Land, in die Uckermark. Dort, in der Wassermühle Dauer, etablierte sie ab Mitte der 80er Jahre das, wovon es in der sicherheitsgeplagten DDR immer zu wenig gab: ein Forum des freien Austauschs. Zeitweilig kamen dort an den Wochenenden bis zu 300 Menschen zusammen.

Entsprechend hellhörig (und hellsichtig) waren die Genossen von der Staatssicherheit, Antoinette wurde einbestellt. Und sie hat alles später in ihren Akten nachlesen können. Auch die sich andeutende Verbindung mit dem Malerkollegen Johannes Heisig haben die Chronisten seinerzeit bemerkt.

Antoinette indes tut, was sie immer tat: Sie malt und bringt Menschen zusammen. Sie sucht nach dem Gesicht Europas, seit mehr als 20 Jahren lässt das Thema sie nicht los. Nun arbeitet sie in Eberswalde. Nicht um die Welt zu verbessern. Nicht, um Jemandem etwas wegzunehmen: „Sondern, um etwas zu geben.“ Und will beim Wort genommen werden.

Antoinette: Regine Hildebrandt
Antoinette: Regine Hildebrandt
Berlin-Brandenburg Akademie der Wissenschaften Lizenz