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Filmgeschichte Skandalfilme, die empört haben

Zum Jubiläum des Films „Die 120 Tage von Sodom“ lohnt es sich, auf große Skandale der Kinogeschichte seit den 70er Jahren zu schauen. Filme, die wegen provokanter Inhalte und Bilder Aufsehen erregten.

Von Gregor Tholl, dpa 11.05.2025, 09:23
Der italienische Filmregisseur Pier Paolo Pasolini in den 60er Jahren bei Dreharbeiten - sein Film „Die 120 Tage von Sodom“ wird 1975 zu einem der größten Skandale der Kinogeschichte.
Der italienische Filmregisseur Pier Paolo Pasolini in den 60er Jahren bei Dreharbeiten - sein Film „Die 120 Tage von Sodom“ wird 1975 zu einem der größten Skandale der Kinogeschichte. UPI/dpa

Berlin - Manche Filme schaut man sich vielleicht besser nur einmal im Leben an, wenn man sie nicht sogar abbricht. Dazu gehört „Die 120 Tage von Sodom“, der vor 50 Jahren gedreht wurde (März bis Mai 1975). 

Wer sich einmal traute, das Werk des italienischen Regisseurs Pier Paolo Pasolini anzuschauen, kann es kaum vergessen. Es gehört zu den umstrittensten Filmen der Geschichte, wobei vor allem die 70er ein Jahrzehnt voller experimentierfreudiger, expliziter, ekliger, brutaler Streifen gewesen sind. 

Aus Anlass des „Sodom“-Jubiläums eine Auswahl der vielleicht größten Skandalfilme seit den 70er Jahren:

„Die 120 Tage von Sodom“ 

Eine Gruppe faschistischer Großbürger verschleppt am Ende der Mussolini-Zeit Jungen und Mädchen in eine Villa am Gardasee und unterzieht sie demütigenden Ritualen (bis hin zum Kot essen lassen). Regisseur Pier Paolo Pasolini, der kein halbes Jahr nach dem Dreh ermordet wurde, entwickelt in seinem letzten Film eine abstoßende Vision totalitärer Systeme. 

In Deutschland und anderen Ländern wurde der Film jahrzehntelang nicht ungeschnitten verkauft oder aufgeführt. Immer wieder wird Bezug auf das verstörende Werk genommen. Der Künstler Christoph Schlingensief (1960-2010) drehte einst etwa „Die 120 Tage von Bottrop“.


„Der letzte Tango in Paris“

Der freizügige Film von Bernardo Bertolucci aus dem Jahr 1972 wurde berühmt für eine Sexszene zwischen Marlon Brando und Maria Schneider. Später sagte Schneider: „Ich fühlte mich verletzt und, um ehrlich zu sein, ein wenig fühlte ich mich auch vergewaltigt, und zwar durch beide, Marlon und Bertolucci.“

„Wenn die Gondeln Trauer tragen“

Der übernatürliche Thriller nach einer Erzählung von Daphne du Maurier mit Julie Christie und Donald Sutherland aus dem Jahr 1973 ist ein Meisterwerk für seine Spannung. Viel wird jedoch auch über eine unübertroffene Liebesszene des Hauptdarstellerpaares unter der Regie von Nicolas Roeg gesprochen. Der Sex wirkt so authentisch, dass er manchen skandalös echt vorkam.


„Caligula - Aufstieg und Fall eines Tyrannen“

Wohl der bizarrste Kunstfilm der Geschichte. Das Epos aus dem Jahr 1979 mit Malcolm McDowell, Helen Mirren, Peter O’Toole basiert auf einem Buch von Gore Vidal. Finanziert wurde der Film vom Erotikmagazin „Penthouse“. Die Produzenten schlossen Regisseur Tinto Brass vom Filmschnitt aus, fügten Hardcore-Pornoszenen ein. 

Auffällig ist, dass der Film weniger den oft üblichen „male gaze“ (heterosexuell-männlichen Blick) bedient, sondern bisexuell aufs Geschehen blickt. Als besonders brutal bleibt die Sensenmaschine in Erinnerung, die im Boden des Circus Maximus eingegrabene Verräter köpft oder die Szene, wenn der wahnsinnige römische Kaiser ein unschuldiges Paar auf seiner Hochzeit besucht und erst die Frau und dann den Mann vergewaltigt.

2023 kam mit „Caligula: The Ultimate Cut“ eine aus dem alten Material völlig neu erstellte Fassung des berüchtigten Skandalfilms auf den Markt.


„Irreversibel“

Der chronologisch rückwärts und anspruchsvoll erzählte Film von Gaspar Noé ist harte voyeuristische Kost. Gezeigt wird toxische Männlichkeit und die Gewalt, die daraus resultiert. Bei der Premiere in Cannes 2002 verließen viele empört den Kinosaal. Die umstrittenste Stelle: Hauptfigur Alex (Monica Bellucci) wird auf dem Heimweg von einer Party in einer Fußgängerunterführung überfallen und vergewaltigt. Das wird gnadenlos ausführlich gezeigt. 

 

„Antichrist“

Der Däne Lars von Trier schuf einige der meistdiskutierten Kinofilme der letzten Jahrzehnte über Themen wie Gewalt, Sex, Trauer, Schuld. Besonders kontrovers wird dieser Horror-Thriller aus dem Jahr 2009 mit Charlotte Gainsbourg und Willem Dafoe gesehen. Nach dem Unfalltod ihres kleinen Sohnes ziehen sich ein Psychologe und eine über Hexenverfolgung arbeitende Wissenschaftlerin zurück in ein Holzhaus im Wald. Sexuelle Gewalt (zertrümmerte Hoden, verstümmelte Klitoris) und Psychose halten Einzug ins Leben des Paares.


„Der Goldene Handschuh“

Literaturverfilmung nach dem Roman von Heinz Strunk aus dem Jahr 2019. Jonas Dassler spielt den Hamburger Serienmörder Fritz Honka, der in den 70ern Leichenteile der getöteten Frauen in seiner Dachgeschosswohnung versteckte. Die Monstrosität der Geschichte wird sehr schonungslos dargestellt. Die Gewalt zeigt Regisseur Fatih Akin so, dass sie auch Abgestumpfte wieder erschüttert.

 

„Saltburn“

Skandalfilm des Jahres 2023. Für heutige Verhältnisse enthält der Thriller von Emerald Fennell („Promising Young Woman“) recht provokante Szenen, etwa wenn Hauptdarsteller Barry Keoghan lüstern mit Sperma versetztes Badewasser schlürft, Selbstbefriedigung an einem Grab vollzieht oder splitterfasernackt durch ein Schloss tanzt.

 

Und sonst?

Natürlich könnte diese Liste enorm verlängert werden - je nachdem, welche Kriterien man noch anlegt. 

  • Die Dystopie „Uhrwerk Orange“ (1971) von Stanley Kubrick erregte einst mit ihren Gewaltdarstellungen viel Aufsehen.
  • In „Pink Flamingos“ (1972) von John Waters isst die Dragqueen Divine Hundekot.
  • Der dritte von 13 „Schulmädchen“-Kinofilmen („Schulmädchen-Report - 3. Teil: Was Eltern nicht mal ahnen“) enthält besonders problematische Episoden - sexueller Missbrauch von Minderjährigen wird allzu deutlich gezeigt, so dass dies heute als sogenannte Kinderpornografie gilt.
  • Der Spielfilm „Das große Fressen“ (1973) von Marco Ferreri verstört mit Derbheit und Verdauungsgeräuschen.
  • William Friedkins Horrorfilm „Der Exorzist“ ebenfalls von 1973 schockiert mit blasphemischen Sätzen wie „Lass dich von Jesus ficken“.
  • Vorwürfe, blasphemisch zu sein, trafen in den letzten 50 Jahren auch die Komödie „Das Leben des Brian“ von 1979, den Martin-Scorsese-Film „Die letzte Versuchung Christi“ von 1988 oder „Paradies: Glaube“ von Ulrich Seidl von 2012, weil eine Frau darin mit Hilfe eines Kruzifixes masturbiert.
  • Im Wiedervereinigungsfilm „Das deutsche Kettensägenmassaker“ (1990) von Christoph Schlingensief verarbeiten Wessis Ostdeutsche zu Wurst.
  • Beim Psycho-Thriller „Basic Instinct“ (1992) von Paul Verhoeven spricht alle Welt von der Verhörszene mit Sharon Stone und dem Blick in ihren Schritt.
  • Die Medienreflexion „Funny Games“ (1997) von Michael Haneke ist wegen der Gnadenlosigkeit der Täter, die eine Familie quälen, schockierend.
  • Der Vergewaltigerfilm „Der freie Wille“ (2006) von Matthias Glasner mit Jürgen Vogel empört Zuschauerinnen und Zuschauer mit seinem äußerst negativen Menschenbild.