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Er dreht die Krause-Filme Bernd Böhlich: DDR hatte Untergang moralisch verdient

Von Julia Kilian 03.09.2019, 07:12
Regisseur Bernd Böhlich lässt seinen neuen Kinofilm „Und der Zukunft zugewandt“ in den Anfangsjahren der DDR spielen.
Regisseur Bernd Böhlich lässt seinen neuen Kinofilm „Und der Zukunft zugewandt“ in den Anfangsjahren der DDR spielen. dpa

Berlin - Regisseur Bernd Böhlich (62) ist selbst im Osten aufgewachsen. In seinem neuen Film „Und der Zukunft zugewandt“ schaut er auf die Anfangsjahre der DDR.

Nachdem eine junge Kommunistin (Alexandra Maria Lara) unschuldig in einem sowjetischen Arbeitslager war, wird ihr in der DDR verboten, über ihre Erlebnisse zu sprechen. Der Film kommt am Donnerstag (5. September) ins Kino - nach vielen Jahren Arbeit, wie Böhlich der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte. Im Interview erzählt er unter anderem, welche echte Geschichte den Anstoß dazu gab.

Herr Böhlich, seit wann beschäftigt Sie die Geschichte?
Bernd Böhlich: 1988 habe ich als Nachwuchsregisseur in der DDR einen „Polizeiruf“ gedreht und dort die Schauspielerin Swetlana Schönfeld kennengelernt. Sie erzählte mir, dass sie in Kolyma geboren ist - einem sowjetischen Straflager. Das war für mich ein Schock. Ihre Mutter war zu 20 Jahren Lagerhaft verurteilt worden, unschuldig. Das stürzte alles auf mich ein. Ich habe versucht, das Thema zu verfolgen, aber in der DDR gab es null Informationen über die Straflager und die Schauprozesse in der Sowjetunion.“

Wie haben Sie sich damals gefühlt?
Böhlich: Für mich war unvorstellbar, dass Kommunisten ihre eigenen Leute einsperren und umbringen. Ich war als Kind gläubiger DDR-Bürger. Ich denke schon, dass ich dem Staat - wie viele - auch kritisch gegenüberstand. Aber ich hatte bis dato nicht zu leiden. Ich hatte Regie studiert, machte meine ersten Arbeiten und wurde jetzt damit konfrontiert, woher dieses Land eigentlich kam. Das hat mich nicht mehr losgelassen. Als die DDR zusammenbrach, hatte sie es moralisch auch nicht anders verdient. Eine Gesellschaft, die so viele Leichen im Keller hat, kann nicht gut gehen.“

Sollte Alexandra Maria Lara von Anfang an die Hauptrolle spielen?
Böhlich: Ich bin jemand, der beim Schreiben den Schauspieler vor sich sehen muss. Und wir haben gar nicht über eine andere Besetzung nachgedacht. Sie ist eine ungewöhnliche Schauspielerin, eine sehr schöne Frau. Und auch das passte: Manche Frauen kamen als Wrack aus dem Gulag, anderen sah man die Spuren nicht an.

Warum kommt der Film denn eigentlich erst jetzt?
Böhlich (lacht): Ich habe wirklich viele Jahre gebraucht für das Buch. Je mehr ich las, desto mehr wollte ich noch erzählen. Nach dem Mauerfall gab es schlagartig eine Reihe von Büchern, zum Beispiel von der Schriftstellerin Elfriede Brüning, die „Lästige Zeugen“ herausbrachte. Sie hatte ihre Freundinnen interviewt und eine Geschichte war schlimmer als die andere. Es hat mich schlaflos gemacht, wie Leute, die alles für eine gerechte Gesellschaft gegeben haben, die eine Alternative zum Kapitalismus gesucht haben, sehen mussten: Das ist einfach nur roter Terror.“

Zur Person: Regisseur Bernd Böhlich (62) wurde im sächsischen Lobau geboren, machte sein Abitur in Dresden und studierte in den 1980ern Regie an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg. Er hat viele Fernsehfilme gemacht, darunter „Polizeiruf 110“ und Filme mit Horst Krause. Für das Drama „Landschaft mit Dornen“ und den Krimi „Totes Gleis“ bekam er einen Adolf-Grimme-Preis. Böhlich lebt in Berlin. (dpa)