Berliner Grips-Theater zeigt Uraufführung «Rosa»
Berlin/dpa. - Sie will die Weltrevolution und wünscht sich geblümte Gardinen. Die gescheiterte Ikone Rosa Luxemburg ist ein innerlich zutiefst zerrissener Mensch.
Fast 90 Jahre nach ihrer Ermordung ist am Berliner Grips-Theater mit «Rosa» ein Stück über Leben und Werk der leidenschaftlichen Streiterin für Gerechtigkeit uraufgeführt worden. Neben viel ideologischer Theorie brachte Grips-Gründer und Theaterleiter Volker Ludwig gemeinsam mit Autorin und Regisseurin Franziska Steiof vor allem das Schicksal einer einsamen, verletzlichen und liebesbedürftigen Frau auf die Bühne.
Gezeichnet von missglückten Liebesbeziehungen, Gefängnis und dem Kampf gegen politische Gegner sagt Luxemburg (1870-1919) gegen Ende ihres Lebens verzweifelt und sehnsüchtig: «Ich muss doch einen haben, der mir glaubt, dass ich nur aus Versehen im Strudel der Weltgeschichte herumkreisle und eigentlich zum Gänsehüten geboren bin...»
Das Premierenpublikum feierte die Aufführung des für Zuschauer ab 16 Jahren geeigneten «Schauspiels mit Musik» mit viel Applaus. Besonders Rosa-Darstellerin Regine Seidler - langjährige Grips- Schauspielerin, aber auch Darstellerin in der RTL-Soap «Alles was zählt» - wurde für ihr differenziertes Spiel mit viel Beifall bedacht.
In die Spielhandlung fügen sich immer wieder Arbeiterlieder und viele Songs ein, in denen die Figuren von Luxemburg und Karl Liebknecht über die Freundin Clara Zetkin bis zu Rosas Liebhabern und Parteifreunden- und feinden wie August Bebel und Karl Kautsky ihre Gefühle ausdrücken. Auf der schlichten grauen Bühne, die nur mit einem weißen Vorhang und einem verschiebbaren Laufsteg ausgestattet ist, brodeln die Meinungen der linken Politiker heftig.
Rosa will die Massen für den Kampf um Freiheit und Gleichheit mobilisieren, doch die Massen sind dazu (noch?) nicht bereit. Auch ihren Parteigenossen ist die «rote Rosa» schon bald viel zu radikal. Die zerstrittenen Sozialdemokraten holen sich lieber selbst ein kleines Stück vom Kuchen der Macht und lassen Luxemburg ihre kommunistische Partei alleine gründen. So führt die Inszenierung die Sozialdemokraten als unentschlossenen Haufen vor, während sich Luxemburg immer mehr in Illusionen verrennt.
Die fast durchgehend chronologisch erzählte Handlung umfasst die Zeit zwischen 1898 bis zur Ermordung von Liebknecht und Luxemburg am 15. Januar 1919 in Berlin. Während der erste Teil des Stücks mit seinen langen politischen Debatten eine gewisse Vorkenntnis in Sachen Revolutionsgeschichte voraussetzt, wirkt der zweite Teil deutlich straffer und dramatischer.
Mit dem «Zaunpfahl» winkt die Inszenierung mit plakativen Zitaten zum Kapitalismus, die das Publikum daran erinnern sollen, dass das alles nicht nur eine Geschichtsstunde sein soll. Wenig aber ist über die sozialen Umstände zu erfahren, die damals zum Aufbegehren von Luxemburg und vielen anderen führten. So scheitert auch das Stück ähnlich wie Rosa selbst ein wenig daran, dass die Theorie so von der Praxis abgekoppelt ist. Wenn Luxemburg am Ende des dreieinhalbstündigen Abends aber sagt, «ich werde das Letzte geben, denn ich habe nur ein Leben», dann weiß der Zuschauer wieder, warum das Ringen um das Gute jeden Tag neu beginnen muss.