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Ausstellung Ausstellung: Schlingensief zeigt «18 Bilder pro Sekunde»

25.05.2007, 15:12
Im Zentrum der Installation «18 Bilder pro Sekunde» von Film- und Theaterregisseur Christoph Schlingensief thronen Jesus und seine Jünger beim Abendmahl am Donnerstag (24.5.2007) im Haus der Kunst in München (Oberbayern). (Foto: dpa)
Im Zentrum der Installation «18 Bilder pro Sekunde» von Film- und Theaterregisseur Christoph Schlingensief thronen Jesus und seine Jünger beim Abendmahl am Donnerstag (24.5.2007) im Haus der Kunst in München (Oberbayern). (Foto: dpa) dpa

München/ddp. - Wenige Schritte weiter dann der visuelle Kontrast: An einerWand zeigen 18 Flachbildschirme in üppigen Farben oderkontrastreichem Schwarz-Weiß eine Flut von gestochen scharfenFilmaufnahmen. In Christoph Schlingensiefs Installation «18 Bilderpro Sekunde» im Münchner Haus der Kunst ist die Überforderung desBetrachters Programm.

Eine Bretterwand umgibt die Installation, am Eingang grüßt einriesiger Jesus. Ein paar Schritte weiter öffnet sich der Blick aufden optisch dominanten Überbau: eine begehbare, überdimensionaleAbendmahlszene. Als Vorlage dafür diente ein Karnevalswagen imbrasilianischen Manaus. Darunter sind die Videowand sowie - analog zuden zwölf Aposteln - die zwölf Kabinen mit den Filmprojektorenangeordnet. Sechs weitere Kabinen davor bieten eine subjektiveAnnäherung Schlingensiefs an das Thema Film.

Im Mittelpunkt der eigens für das Haus der Kunst konzipiertenSchau stehen zwei filmische Werkkomplexe des Regisseurs undAktionskünstlers: Zum einen 18 Stunden ungeschnittenes Materialseines unfertigen Films «African Twin Tower», gedreht in Namibia, indem es unter anderem um Richard Wagner, den Anschlag vom 11.September, Angehörige eines afrikanischen Hirtenvolks sowie Geisterder Gegenwart und der Vergangenheit geht.

Zum anderen sind Kurzfilme zu sehen, die Schlingensief während derVorbereitungen für seine Inszenierung der Wagner-Oper «Der fliegendeHolländer» in Manaus gedreht hat. Aufgenommen hat er die Kurzfilmemit einer Kurbelkamera aus den 1930er Jahren, die durch RückspulenDoppel- und Mehrfachbelichtungen erlaubt - «wo die Zeit so tut, alswäre sie schon fortschritten», wie Schlingensief es formuliert.

Anders als im Kinosaal sind die Projektoren nicht verborgen. IhrePräsenz wird betont, sie werden integraler Bestandteil derVorführung. Sie rattern, strahlen Wärme aus, es riecht nach erhitztemZelluloid, die Filmstreifen laufen über den Köpfen derAusstellungsbesucher zum Teil in mehreren Bahnen durch die kleinenKabinen. Die Filmsequenzen werden dabei in verhältnismäßig kleinemMaßstab an die Wand geworfen: Der Betrachter soll laut Schlingensief«einen Schritt auf das Bild zugehen».

Der Regisseur meidet mit seinen neuen Filmarbeiten bewusstKinosäle und bezieht den Projektionsraum mit ein. «Mein Leben langhabe ich eine Präsentationsform im Kino gesucht, die ich nie gefundenhabe», erläutert er. «Ich versuche klar zu machen, was der Betrachterfür eine Rolle spielt.» Er wolle ihn «nicht einfach vor den Filmsetzen». Der Betrachter solle merken, dass er selbst ein Teil desBetrachteten sei.

Die Installation des 46-Jährigen bietet - neben vielfachen Bezügenzur gesellschaftlichen Gegenwart und Grundfragen der menschlichenExistenz - eine überaus sinnliche Reflexion über das Medium Film.Unterstrichen wird dieser Aspekt durch die mehrfache Präsenz der Zahl18: 18 Monitore zeigen 18 Stunden Rohmaterial eines Films, insgesamt18 Kabinen umfasst die Installation. Auch der Ausstellungstitel «18Bilder pro Sekunde» verweist darauf, dass der Mensch ab 18 Bildernpro Sekunde anfängt, eine flüssige Bewegung zu sehen.

Schlingensief verwirrt den Betrachter, überrollt ihn mit einerwahren Bilderlawine, meidet das Eindeutige, betont das Verborgene. In«18 Bilder pro Sekunde» muss der Betrachter gewissermaßen selbst zumRegisseur werden: Es muss aus der Flut der Eindrücke und Themen dasherausfiltern, was ihn berührt und so im Kopf einen eigenen Filmschaffen.

Die Ausstellung ist seit Freitag und bis zum 16. September zusehen.