Ausstellung Ausstellung: Hinter der Dornröschenhecke
ZEITZ/MZ. - Ein Schloss ist eben doch der richtige Rahmen für Gobelins. In der Zeitzer Moritzburg hängen Inge Götzes Wandbehänge aus vier Jahrzehnten im Festsaal unter schweren Deckenbalken, durch die hohen Fenster strömt das klare Licht aus dem freien Himmel über dem Burghügel. Das höfische Ambiente gibt den Wandteppichen einen angemessenen Rahmen und den Raum, den sie zu ihrer Wirkung brauchen.
Inge Götzes Arbeiten aus ihrer ersten Schaffensphase wissen um die Tradition ihres Genres, stofflich und handwerklich, ebenso wie in der formalen Komposition. Gefasst im ornamentalen Rahmen entwickelt sich die figürliche Thematik, verwebt sich mit dem Dekor aus Motiven von Flora und Fauna, hüllt sich in Kreise, Bänder, Streifen, und verstrahlt den gedämpften Farbenschimmer der Garne.
Geflecht der Beziehungen
Aber eingewoben in die märchenhaft angehauchte Fantasiewelt auf den Gobelins der 60er und 70er Jahre mit ihren Blütenwiesen, Strahlenkränzen, Liebespaaren, den Musikanten und Tänzern, den Paradiesvögeln und Glitzerfischen, ist stets ein Beziehungsgeflecht mit dem Staat und den Auftraggebern. Im Kulturhaus "Hans Marchwitza" in Potsdam hing Inge Götzes Diplomarbeit "Der Lebensbaum" im Regierungsschloss Niederschönhausen der "Gedeckte Tisch", in die Moskauer Botschaft der DDR zogen die "Jahreszeiten", das Palais Unter den Linden in Berlin bot den "Reichtum im Leben der DDR".
Die Künstlerin hat die Zeitzer Werkauswahl selbst besorgt und aus eigenem Bestand geschöpft. Der Bruch ist nicht zu übersehen, der dort hindurchgeht. Man erkennt, dass die Ära der hymnischen Auftragsarbeiten nicht von Dauer war. Inge Götze sucht sich andere Themen und neue Techniken, erprobt Collagen und Applikationen, Papierfaltungen und Scherenschnitte, schließlich transparente Folien. Die tragen erwartbare Titel, wie die "Transparenz", die frei aufgehängt im Raum das Licht durch ihre geometrischen Figuren zu kühlen Blaus und silbrigem Schimmer filtert. Inge Götze hangelt sich durch die Stile, auch den psychedelischen Pop, mit dem sie die Malerei ihres Mannes Wasja streift. Aber geht es wirklich um den Bruch, oder ist doch alles eins?
Wie hängt das zusammen, wie verhält sich die Künstlerin zu den Jahren, in denen sie ihre gesellschaftliche Rolle gespielt hat? Vielleicht will die Botschaft eine einfache sein: Ihre Kunst als Ausdruck eines einzigen ungebrochenen Lebensgefühls, selbstgenügsam in ihrer bezaubernden Diesseitigkeit. Das öffentliche Werk wäre also wie ihr privates vom selben Lebensgefühl getragen, das man aus dem gewünschten Jubelton heraushören muss. Man kann es dabei bewenden lassen, es ist ja auch schön anzuschauen, aber wer mehr wissen will, findet keine Antwort, jedenfalls keine, die über Freundeslob hinausgeht.
Inge Götze hat ihr Leben so unauflöslich der Textilkunst geweiht, dass Rüdiger Giebler in einem schon 2004 erschienenen Bildband glaubhaft ihre Lauterkeit hervorhebt. Die "Vereinnahmungsversuche" ihrer Auftraggeber seien an der "Dornröschenhecke" ihres "Blumengestrüpps" gescheitert, mit dem sie ihre frühen Gobelins überzog. Sie habe den verordneten Optimismus "so was von überzuckert, dass man die Arbeiten beim besten Willen nicht mehr als einen gesellschaftspolitischen Entwurf ernstnehmen kann."
Fehlende Aufbereitung
Doch es bleiben Fragen, die nun einmal nicht im Plauderton zu beantworten sind. Die Geschichte der DDR-spezifischen Liebe zum Gobelin bleibt zu schreiben, die Wahl der Vorbilder aus den künstlerischen "Reform"-Bestrebungen der französischen Nachkriegs-Schule der Webkunst zu analysieren, die Gegenseitigkeit des Auftragswesens über die "Vereinnahmung" hinaus zu untersuchen. Dazu bräuchte es Personal und Geld für Kataloge, für die im bestehenden Förderszenario kein Platz ist.
Es gibt ja auch zu dieser Ausstellung keinen Katalog und es muss offen bleiben, worauf sie hinaus will, außer Augenschmaus zu bieten. In dem erwähnten Buch, das zu ihrer Emeritierung von der Burg Giebichenstein erschien, liest man berührt, was Inge Götze über ihre Kindheit und Jugend zu erzählen hat, die Flucht aus Pommern, das Studium in Dresden. Doch wo es zeitgeschichtlich interessant wird, bricht sie ab, mit den Jahren ununterbrochener Lehre an der Burg durch die DDR-Zeit hindurch und bis weit über die Wende hinaus.
Vielleicht sind im Rückblick die Brüche längst nivelliert, hängt das Herz an jedem Stück gleichermaßen, war die Textilweberei an der Burg einerseits "Schutzraum", andererseits doch auch Aushängeschild. Welche Erkenntnis liegt heute noch darin, in dem Buch auf zwei Seiten einen banalen "Bildbericht" aus den 70er Jahren abzubilden, in dem der damalige Burg-Rektor Walter Funkat mit dem Satz zu Wort kommt: "Wir wollen unsere Umwelt nach den Gesetzen der Schönheit und den Erfordernissen der sozialistischen Entwicklung formen"?
Ausstellung bis zum 11. September, Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr