Ausstellung Ausstellung: Fallada ganz nah

CARWITZ/DPA. - «Die meisten kaufen Falladas Buch "Heute bei uns zu Haus"», sagtMuseumsleiter Stefan Knüppel. In dem Buch hielt der Dichter fest, wiees zwischen 1933 und 1944 auf dem Anwesen zuging. «Mit dem Umzug vonBerlin nach Carwitz floh Fallada auch vor den Verlockungen derGroßstadt», erklärt Knüppel. «Es waren Falladas wichtigste Jahre alsSchriftsteller.» Der Literaturwissenschaftler hat unter anderem14 000 Seiten Fallada-Briefe ausgewertet.
Ein literarischer Welterfolg brachte den damals 39-jährigen RudolfDitzen, der sich Hans Fallada nannte, 1932 dazu, sich nach einemländlichen Grundstück für seine Familie umzusehen. «Der Roman"Kleiner Mann, was nun" wurde in viele Sprachen übersetzt, ständigkam Geld herein - Fallada war damit überfordert», schildert Knüppel.Der Dichter hielt zeitweise in Berlin tischeweise Lokalbesucher frei.Das zwölfte Anwesen, das er besichtigte, erwarb Fallada für 12 000Reichsmark. Es war das «Haus Wehrle», dass er dem Sohn eines BerlinerRegierungsrates abkaufte. Fallada wollte dort seine Leidenschaft fürdie Landwirtschaft ausleben und gestaltete auch das alte Haus völligum.
Heute können Besucher das originale Arbeitszimmer des Dichterssehen, die Sitzecke im Garten und die Veranda mit Seeblick - dieFallada nach städtischem Geschmack mit roten und orangen Möbelnausstattete. «Aber er hat nicht nur im Arbeitszimmer geschrieben»,weiß Knüppel. Weil es mit erst zwei, später drei Kindern unten imHaus oft zu laut war, zog sich Fallada ins Obergeschoss zum Schreibenzurück, in das Zimmer, das Knüppel jetzt als Büro dient, und in dasheutige Filmzimmer, wo Besucher filmische Beiträge über den Dichteransehen können. «Also Mückchen, du hast es gehört: von morgen anarbeitet Papa wieder. Der vordere Hof ist euch verboten, ihr spieltnur hinter der Scheune», heißt es in «Heute bei uns zu Haus» dazu.
Die Art, wie der gelernte Landwirt Fallada seine Wirtschaftbetrieb, ist noch heute erkennbar. Er pflanzte mehr als 100Obstbäume, hielt Hühner, Schweine, Kühe und zwei Hunde, widmete sichspäter auch erfolgreich der Imkerei. Fotos zeigen den von dermecklenburgischen Landschaft begeisterten Dichter auf Spaziergängenmit seinen Kindern.
Doch trotz der Idylle, in der Fallada auch den Roman «Wolf unterWölfen» und die «Geschichten aus der Murkelei» schrieb, hielt die Ehemit seiner Frau Anna Ditzen nur bis 1944, dann ließ sie sichscheiden. «Als Schuldeingeständnis überschrieb der Dichter dasAnwesen seiner Frau», erklärt Knüppel. Nach ihrem Auszug 1965 kamenwieder Schriftsteller auf das Grundstück: Der Kinderbuchverlag derDDR betrieb auf dem Anwesen ein Betriebsferienheim. Falladas ersteFrau zog 1965 ins benachbarte Feldberg, wo sie 1990 starb.
Das Museum, das zu den zwanzig kulturellen Gedächtnisorten mitnationaler Bedeutung in den neuen Bundesländern zählt, hat einenguten Kontakt zu den Nachkommen Falladas. So stellten die Söhne derGedenkstätte immer wieder Alltagsgegenstände aus dem Feldberger Hausihrer Mutter zur Verfügung. «Jetzt wurde das Haus in Feldbergveräußert, die originalen Möbel aus dem Esszimmer Falladas, die AnnaDitzen behielt, sollen ins Museum kommen», freut sich der Leiter.Dazu soll das Zimmer samt Tapeten und Fußboden wieder so eingerichtetwerden, wie es zu Falladas Zeiten seine Besucher sahen. Dazu zähltender Verleger Ernst Rowohlt, der Zeichner e.o.plauen und derSchauspieler Theo Lingen. «Politische Gäste hatte der Dichter nicht»,sagt Knüppel. Fallada sei zwar ein gesellschaftskritischer Autor,aber wohl kein sehr politischer Mensch gewesen.