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Ausstellung Ausstellung: Bausteine der Bauhausstadt

Von CHRISTIAN EGER 07.12.2009, 17:58

DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Mit der Bahn ruckelte der junge Architekt durch Mitteldeutschland, um eines Novembertages kurz vor Mitternacht in Dessau aus dem Zug zu klettern. Eisglitzernde Straßen, Rauch zwischen den Häusern, grünlich blinkende Laternen.

"Oh, Gott, wo zum Teufel sind wir hier gelandet?", stoßseufzte der Reisende zur Winternacht. Eine "Blade Runner-mäßige Atmosphäre" holte den Kanadier ein, ein düsterer Science Fiction. Da erschien ihm das Bauhaus: "das Ding", der Mythos. Kovats hatte eine Kulisse für seine fotografische Arbeit gefunden. Und mit Dessau einen Ort, an dem er sich erstmal niederließ.

Die Erinnerungen von Steven Kovats gehören zu den zehn Video-Interviews, die in der am Sonnabend in Dessau-Roßlau eröffneten Ausstellung "bauhausstadt" über die Bildschirme flimmern. Eine Schau im Bauhaus, die das Verhältnis der Stadt zur historischen Hochschule und heutigen Stiftung schlaglichthaft erhellen und auf eine eventuelle Zukunft als "Bauhausstadt" hin diskutieren will.

Auf drei Zeitinseln

Endlich, muss man sagen. Denn die Meinung, dass das Bauhaus 1925 "zufällig" von Weimar weg in Dessau gelandet wäre, ist nicht nur in der Politik anzutreffen, wie es an einer namenlos gebliebenen Person Stiftungsdirektor Philipp Oswalt zur Eröffnung der Schau erwähnte. Als die Stiftung Bauhaus vor zwei Jahren die - inzwischen verkleinerte - Dauerausstellung "Werkstatt der Moderne" eröffnete, schaffte man ganz aus eigener Kraft das Kunststück, die Namen der zwei entscheidenden Dessauer Akteure in Sachen Bauhaus-Ansiedlung nicht einmal im Kleingedruckten zu erwähnen: den Oberbürgermeister Fritz Hesse und den Landeskonservator Ludwig Grote.

Doch: Es war einmal. Nach dem Wechsel an seiner Spitze macht die Stiftung Bauhaus ihre Hausaufgaben - mit Höchstgeschwindigkeit. Es geht nun um die Stadt, die Stiftung, das gemeinsame Bauhaus-Erbe. Auf drei Zeitinseln, von denen eine jede jeweils eine eigene Ausstellung wert wäre, wird das Ineinanderwirken von Bauhaus, Kommune und Region vorgestellt: die Jahre des historischen Bauhauses von 1926 bis 1932, die Spät-DDR- und Wende-Jahre des "Zentrums für Gestaltung" und der Neustart der Stiftung von 2008 bis 2009. Allein ein Hinweis für Ausstellungs-Kulinariker ist notwendig: Die "bauhausstadt"-Schau ist größtenteils eine Tafelausstellung, eine Großwandzeitung in drei Abschnitten also, deren Inhalt samt beigelegter Interview-DVD auch als Broschüre zu verteilen wäre; die wenigen Vitrinen jedenfalls zeigen wenig tatsächlich Überraschendes. Ein Ereignis ist die Schau trotz alledem. Eindrücklich bereits der Auftakt, der den von 1930 an erarbeiteten Dessauer Beitrag zum 1933 in Paris veranstalteten Kongress "Die Funktionelle Stadt" zeigt: eine von drei Bauhäuslern gefertigte detailfreudige Rundum-Studie zur Lage und Zukunft der Stadt Dessau. Zudem werden die gesellschaftlichen Akteure vor Ort vorgestellt und alle Anwohner, die am Bauhaus studierten. Wo wohnten die Bauhäusler, an welchen Bauten wirkten sie mit? Das ist eine Vielzahl von Adressen - an einem Stadtplan verortet, auf Fotos sinnfällig gemacht.

Überraschend gehaltvoll gelingt die Dokumentation der mittleren und späten DDR-Jahre: 1976 die Gründung des "Wissenschaftlich-Kulturellen Zentrums", getragen von der Stadt Dessau und der Weimarer Bauhochschule, 1986 die Gründung des "Zentrums für Gestaltung", getragen u. a. vom DDR-Bauministerium. "Systemstütze, Nische, Wendemotor?" fragt die Schau und liefert in den Monitor-Interviews interessante Befunde. Zusammengefasst: vor allem Systemstütze, etwas Nische (etwa für die Interessengemeinschaft Stadtgestaltung), kaum Wendemotor. Die Gegenwarts-Station der Schau widmet sich - neben Blicken auf die Meisterhaus-Debatte und hörenswerten Interviews u. a. mit Dessaus Linke-Fraktions-Chef Ralf Schönemann und dem ehemaligen Dessauer Stadtplaner Roland Haseloff - der Suche nach einem gemeinsamen "Leitbild" für Dessau-Roßlau.

Soll man sich den Titel "Bauhausstadt" verpassen? Es gibt sehr gute Gründe dafür - und gute Gründe dagegen. Man muss sich durch das Marketing-Dröhnen der Weimarer nicht irre machen lassen; Dessau ist mit seinem reichen Bau-Erbe immer im Vorteil. Die Schwierigkeit besteht eher darin, dass der Name "Bauhaus" mehr als nur ein Gebäude, mehr als nur eine "Marke" meint, nämlich die Herausforderung, ein bauliches, städtisches, ja gesellschaftliches Lebensfeld modellhaft zu gestalten. Eine "Bauhausstadt" Dessau-Roßlau müsste im besten Fall nicht nur eine Museumsmeile, sondern selbst auch in Ansätzen ein Muster-Ort sein.

Stiftung als Agentur

Darüber wird im Zuge der Ausstellung diskutiert; das reiche Begleitprogramm an Diskussionen gleicht einem Befreiungsschlag. Über kurz oder lang stehen auch die alteingeübten Strukturen der Stiftung Bauhaus zur Diskussion, wenn man - worauf es wohl hinläuft -, mehr als ein Museum, Kulturhaus und Kolleg sein will: nämlich eine kulturelle, soziale und stadtplanerische Agentur einer ostdeutschen Mittelstadt, die als "Bauhausstadt" überregional Schule machen könnte.

Ausstellung im Bauhaus: bis 7. März, täglich von 10 bis 18 Uhr