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Ausstellung Ausstellung: Als wär's ein Dutzend Künstler

Von Gerd Korinthenberg 22.02.2007, 15:55
Der englische Bildhauer Tony Cragg steht am Donnerstag (22.02.2007) im Lehmbruck-Museum in Duisburg neben seiner Skulptur «Bent of Mind» (2002). (Foto: dpa)
Der englische Bildhauer Tony Cragg steht am Donnerstag (22.02.2007) im Lehmbruck-Museum in Duisburg neben seiner Skulptur «Bent of Mind» (2002). (Foto: dpa) dpa

Duisburg/dpa. - Mal scheinen seineSkulpturen eher einem technischen Bastelbuch entsprungen, mal derBiologie oder Geologie entlehnt. Was aussieht wie edles Holz istKunststoff, weißer Marmor entpuppt sich als sorgfältig bemalterStahl, scheinbar schwebend leichte Figuren wiegen Tonnen: Einernsthaftes Spiel mit dem schönem Schein. «Sein universellesSkulpturenwerk auf einige Sätze zu reduzieren, ist nicht leicht»,bekennt selbst der Direktor des Duisburger Lehmbruck Museums undBildhauerei-Experte, Prof. Christoph Brockhaus, für den Cragg «dergrößte Erfinder plastischer Formen der Gegenwart» ist.

Das Duisburger Museum bietet von Sonntag an mit 21 Skulpturensowie 60 selten gezeigten Zeichnungen, Lithographien und Aquarelleneinen konzentrierten Überblick über das komplexe Werk des 1949geborenen Künstlers, der seit 30 Jahren in Wuppertal lebt. Die Schau«Tony Cragg - Das Potenzial der Dinge» ist als veränderte Form einerBerliner Präsentation bis 15. April zu sehen.

Wer die Ausstellung betritt, vermutet hinter den Exponaten aus 15Jahren zunächst die Werke eines Dutzends Bildhauer. In Anlehnung antechnische Vorbilder entstanden seit 1993 die «Early Forms», die alsliegende Bodenskulpturen mit ihren Ausstülpungen und geschlitztenEinblicken, im Spiel von Konkav und Konvex die «Räumlichkeit» alsUrmaterial der Bildhauerkunst erkunden. «Wooden Crystal» (2000) nimmtals vier Meter hohe Kunststoff-Stele im vorgeblich edlen Teak-Lookdie Säule als klassisches Stilmittel auf, erscheint aber technoid wieein rotierendes Maschinenteil, gefährlich schwankend zwischen labilund stabil mit ihren schräg gestellten Scheiben-Elementen. Nichtsist, wie es scheint: «Distant Cousin» (2006), ein Klon ausSchiffsschraube und Pflanzensamen, ruht federleicht auf drei Füßchen- und bringt als Stahlwerk von 2,5 Tonnen das Museum an die Grenzenseiner Statik.

In anderen skulpturalen Werken, die an ausgewaschene Küstenfelsenerinnern, verstecken sich die Profile menschlicher Gesichter («Out ofSight, Out of Mind»/2003), die der verunsicherte Betrachtervergeblich auch in den Schründen einer daherstelzenden Riesenmuschelsucht, während sich ein gewaltiges, grünliches Riesen-Sperma mit demTitel «I'm alive» (2003) im kühnen Bogen auf der Museumsterrasseschlängelt.

Cragg zeigt sich - auch mit feinem britischem Humor - als Poet derPlastik, der bislang Ungesehenes sichtbar macht und sich einen Deutum Jahrtausende alte Kunstüberlieferung schert: «Ich möchte nichtSkulpturen machen, die viel Bezug zur Bildhauerei haben», sagt er derdpa. Hauptsache, seine Kreationen markierten eine Gegenwelt zurdesignten Flut der Alltagsdinge, von denen sich Skulpturen als«seltenes menschliches Produkt» grundsätzlich abheben.