ARD-Tatort ARD-Tatort: Leichen werden detailliert abgefilmt wie nie zuvor

Münster/dpa. - Verwesung, entstellte Gesichter und Blutlachen seien in demKrimiklassiker kein Tabu mehr, erklärte KommunikationswissenschaftlerStephan Völlmicke im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Er hat82 «Tatort»-Folgen aus 40 Jahren untersucht. Ein Ergebnis: «Die Totenwerden heute so intensiv und detailliert abgefilmt wie nie zuvor.»
Die Filmkameras zoomten näher heran und zeigten häufiger undlänger Details der Leichen, sagte der Wissenschaftler. Verletzungen,Hämatome und sogar Verwesungserscheinungen sprängen dem Zuschauer inForm von kleinen Spezialeffekten ins Auge. «Früher wurden die Leichenzwar auch präsentiert, lagen aber meist im Hintergrund. Man hatselten das Gesicht gesehen und die Toten eher auf der Seite oder demRücken gezeigt», sagte Völlmicke. Für den «Tatort»-Experten ist dasein Zeichen, dass sich «die filmische Distanz zu Leichen und zum Todenorm verringert hat».
Das sei eine allgemeine, weit über die beliebteste deutscheKrimireihe hinausgreifende Entwicklung. «Der "Tatort" war immer schonin vieler Hinsicht Spiegelbild der Gesellschaft. Die veränderteLebenswelt der Zuschauer, speziell der Wandel im Umgang mit Sterbenund Tod, haben vermutlich einen wesentlichen Einfluss auf dieTodesdarstellungen im Fernsehen.» Privat könnten viele Menschen denAnblick von Leichen nicht ertragen, schafften eine Distanz zum Tod.«In den Medien sind wir ihn immer mehr gewohnt.»
Sterben und Tod seien dadurch in der Gesellschaft zu etwasProfanerem geworden als es früher der Fall war, der Umgang damit seioft nüchterner, erklärte der 35-Jährige die Entwicklung. DieBetrachtungsweise von Leichen im «Tatort» sei dementsprechend heutehäufig eine viel wissenschaftlichere. «Die Serie betrachtet den Todimmer öfter streng anatomisch», sagte Völlmicke.
Gerichtsmediziner seien nicht nur selbstverständlich Teil desTeams, sondern ermittelten oft sogar mit - wie Professor Boerne(gespielt von Jan-Josef Liefers) im beliebten Münster-«Tatort». «Dertote Mensch liefert Spuren für den Ermittler, die ihm helfen, denTäter zu finden. Das hat es früher in dem Umfang nicht gegeben»,sagte Kommunikationswissenschaftler Völlmicke. Entsprechend haben indie Gespräche von Boerne und Co. dem Forscher zufolge seit den 90erJahren immer mehr medizinische Fachbegriffe Einzug gehalten.
Von den viel drastischeren Todesdarstellungen in US-Serien wie dererfolgreichen «CSI»-Reihe sei der deutsche Krimi aber noch weitentfernt. «Bis der Zuschauer sieht, wie ein Pathologe regelmäßig im"Tatort" eine Bauchdecke aufklappt, wird es noch dauern», meinteVöllmicke.