1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. ARD: ARD: Hitlers williger Techniker

ARD ARD: Hitlers williger Techniker

Von Andreas Montag 08.05.2005, 13:53

Halle/MZ. - Als er so lügt, steht Speer gemeinsam mit seinen Kriegsverbrecher-Kollegen Göring, Heß, Sauckel und Co. in Nürnberg vor Gericht. Heinrich Breloer, zuletzt vor vier Jahren für seine Saga über die "Manns" in hohen Tönen gelobt, legt nun mit dem Film "Speer und Er" ein dreiteiliges Meisterwerk in Sachen Aufklärung deutscher Geschichte vor. Heute Abend, 20.15 Uhr, zeigt die ARD den ersten Teil.

Er wolle Verantwortung übernehmen, hat Speer seinem Verteidiger erklärt. Und er will seinen Kopf retten. "Wenn einer mit Leichenbergen leben muss, muss er sie verdrängen", sagt der Arzt Arnold Speer über seinen Vater. Seiner Tochter Hilde hat Speer aus dem Spandauer Gefängnis, wo er seine 20jährige Haftstrafe absaß, versichert, er habe von den "ganzen scheußlichen Dingen" nichts gewusst. So hat er, der sich als letzten Klassizisten begriff, aber in Wahrheit nicht nur Architekt für Hitlers Bauten, sondern williger Techniker und ein Architekt des Dritten Reiches gewesen ist, selber sehen wollen. Man versteht das - auch, dass die alliierten Richter in Nürnberg es ihm abgekauft haben: Für die bösen, schmutzigen Sachen seien die primitiven Nazis wie Fritz Sauckel, der die Zwangsarbeiter im Osten beschaffen musste, zuständig gewesen. Hätte man in Speer stärker den maßgeblichen Mitwisser und Mittäter erkannt, der er zweifellos war - er würde wohl nicht mit dem Leben davon gekommen und in seiner zweiten Karriere als Publizist ein Weltstar geworden sein.

Dem Filmemacher Breloer gelingt ein faszinierendes, hochspannendes Porträt des schrecklichen, von Hitlers schwammige Volks-Ideen begeisterten Schöngeistes Speer, der seine Aufstiegschance konsequent nutzt und folgerichtig, in tiefer, fast homoerotischer Geistesfreundschaft zu seinem "Führer" stehend, zum Verbrecher und Profiteur des Verbrechens wird.

Damit leistet Breloer überzeugend, was Bernd Eichinger mit seinem "Untergang" gründlich misslungen ist: Breloer zeigt, woher das Verbrechen kommt, Er zeigt, wie Menschen sich verstricken und wie sie versuchen, sich ihrer Mitschuld zu entledigen. Letzteres führt "Speer und Er" konsequent bis in die Bundesrepublik der Nachkriegsjahre fort, wo sich Speers Kollegen bestens etablieren - und verdrängen.

Die Fallstudie, durchweg hervorragend gespielt (voran Tobias Moretti als Hitler und Sebastian Koch als Speer, aber auch André Hennicke als Rudolf Heß) und geschickt mit Dokumentarmaterial geschnitten, leistet auch ein Stück überfälliger Trauerarbeit: Die Opfer kommen zu Wort. Und das lebenslange Leiden der Speer-Kinder an den Taten ihres Vaters. Das darf man getrost auch im größeren Kontext sehen.

Montag, Mittwoch und Donnerstag, jeweils 20.15 Uhr, ARD;

"Nachspiel - Die Täuschung", Donnerstag, 23.30 Uhr, ARD