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Albrecht-Schau I Albrecht-Schau I: «Er war eine tragische Gestalt»

08.09.2006, 19:16

Halle/MZ. - Herr Kardinal, als Bischof von Mainz sind Sie ein direkter Amtsnachfolger Albrechts. Spielt dieser in Ihrer täglichen Amtsführung noch eine Rolle?

Lehmann: Im Mainzer Dom begegnet man dem Grabmal des Kardinals Albrecht von Brandenburg. Insofern ist er in Mainz nicht vergessen. Neben Hermann Kardinal Volk und mir ist Albrecht von Brandenburg einer von drei Kardinälen auf dem Mainzer Bischofsstuhl. Man muss ihn aber wohl aus seiner Zeit heraus verstehen. Er war in gewisser Weise eine tragische Gestalt. Es wäre daher nicht sinnvoll, seine Amtsführung in die heutige Zeit übertragen zu wollen.

Welches Bild haben Sie von der Persönlichkeit Albrechts?

Lehmann: An der Person des Brandenburgers werden grundsätzliche Probleme der damaligen Kirche greifbar: Häufung von Pfründen, Ausnahmen vom Kanonischen Alter, Kirche als Versorgungseinrichtung junger Adliger, Ablasshandel. Heute gibt es Ansätze zu einem neuen Verständnis. Man muss daraus keine krampfhafte Rehabilitation versuchen. Es bleibt bei allem eindrucksvollen Mäzenatentum für Wissenschaft und Kunst ein großer Schatten über Albrecht. Es ist eine tiefe Tragik und zugleich ein hohes Versagen, dass er so in die geschichtlichen Umstände seiner Zeit eingebunden war, dass er den notwendigen Dienst am Evangelium, das nicht im Zeitgeist aufgehen darf, nicht wirkungsvoll ausüben konnte, mag er auch durchaus in mancher Hinsicht reformoffen gewesen sein.

Gibt es Züge seiner Persönlichkeit, die Sie schätzen?

Lehmann: Er hat zwar zweifellos eine Bereitschaft zur Wahrung des gefährdeten Friedens und zu Gesprächen zwischen den konfessionellen Fronten bewiesen. Dadurch hat Albrecht auch einen Beitrag zur politischen Zusammengehörigkeit im Reich geleistet. Er hat auf seine Weise versucht, den immer tiefer werdenden Graben zwischen der alten Kirche und den "Neueren" zu schließen. Sein Schwanken zwischen einer gewissen Sympathie für Luther und einer wachsenden strikten Ablehnung ging aber schließlich über ihn selbst hinweg.

Ausgehend von Luther, ist Albrecht wie kein zweiter deutscher Kirchenfürst von der Nachwelt mit Hohn und Verachtung gestraft worden. Gibt es dieses Echo nur im protestantisch geprägten oder auch im katholischen Milieu?

Lehmann: Die katholische Kirche, die sich zu einer langen Tradition bekennt, darf solche Gestalten wie Albrecht von Brandenburg nicht einfach ausgrenzen oder verdrängen. Zu ihrer Überlieferung gehören nicht nur die leuchtenden Vorbilder, die es in hoher Zahl gibt, sondern auch die Schwierigen und die Zweifelhaften. Wir müssen uns zur unverkürzten Geschichte der Kirche bekennen. Gleichwohl dürfen wir nicht einfach aus heutiger Sicht den Stab über ihn brechen. Es bedarf des differenzierten Blicks, um ihm gerecht zu werden. Da ist heute wohl kein gravierender Unterschied zwischen den Konfessionen, jedenfalls in der historischen Sicht.

Luthers Thesenanschlag 1517 war eine unmittelbare Reaktion auf den Ablasshandel des Kardinals in Halle. Ist Albrecht für die Reformation haftbar zu machen?

Lehmann: Es spielen sicher mehrere Gründe mit, etwa die Situation der Kirche insgesamt in dieser Zeit. Eine einzelne Person dafür verantwortlich zu machen, wäre verkürzt.

Im Übrigen darf man auch nicht einfach schwarz-weiß malen, und behaupten, dass die katholische Kirche zu jener Zeit insgesamt verdorben gewesen sei und die protestantische Kirche allein alle Missstände abgeschafft habe. Es gab auf beiden Seiten gleichsam "Sünder und Heilige". Aber Albrecht war so etwas wie ein Auslöser.

Welches politische oder theologische Versagen ist Albrecht vorzuwerfen?

Lehmann: Erzbischof Albrecht hat wohl den Ernst der damals aktuellen Fragen und Probleme der Kirche nicht oder wenigstens nicht sofort erkannt. Ob man ihm das im Nachhinein mit heutigen Erkenntnissen vorwerfen kann, ist eine andere Frage. Man muss auch sehen, dass er gerade mal 24 Jahre alt war, als er Erzbischof von Mainz wurde und damit gleichzeitig einer der einflussreichsten Politiker des Landes.

Ob ein so junger Mann alles schon durchschauen und entsprechend angemessen darauf reagieren kann, sei dahingestellt. Dieses Schicksal teilt er übrigens mit manch anderem Einflussreichen in dieser Zeit. Es bleibt die Deutung aus der jeweiligen Zeit heraus.

Albrecht hat 1541 Halle verlassen. Ist Mitteldeutschland seitdem für die katholische Kirche verloren?

Lehmann: Dass wir gerade in den mitteldeutschen Bundesländern - etwa seit der Wende - einen besonderen geistlichen Aufbruch erleben, spricht eindeutig dagegen. Es ist, auch durch die 40 Jahre währende SED-Diktatur, natürlich besonders in den neuen Bundesländern ein besonderes pastorales Feld, das sich für die Kirche eröffnet. Das erfordert besondere Anstrengung, die etwa der Bischof von Erfurt in herausragender Weise angeht; auch die anderen Mitbrüder in den neuen Bundesländern stehen vor besonderen Herausforderungen, die sie meistern.

Ich würde also auf keinen Fall dieses Urteil unterstützen. Im Gegenteil: Wir erleben bundesweit, aber gerade auch in diesen Bundesländern, ein neues Interesse für Kirche und Glaube, freilich nicht immer so, dass die traditionellen Kirchenmuster unmittelbar darauf passen. Aber gerade das macht die Herausforderung aus, die wir gerne aufgreifen.