Zweiradhersteller Zweiradhersteller: Simson-Versteigerung beendet lange Tradition

Suhl/dpa. - Wo jahrelang die «Schwalbe» vom Montageband rollte, kreist nur noch der Pleitegeier. Mit der Versteigerung bei Simson Suhl am Samstag ging eine mehr als 100 Jahre alte Tradition des Fahrzeugbaus in Südthüringen vermutlich für immer zu Ende. Auch die Sanierungsinitiative einer Zwickauer Investorengruppe unter der Federführung des Zweirad-Ersatzteilhändlers Bernd Franke hatte keinen Erfolg.
Dabei hegte Franke keine hochtrabenden Pläne. Er wollte zunächst mit 20 Mitarbeitern eine kleine Produktionslinie wieder anfahren und setzte vor allem auf die Exportchancen der Kleinroller. «Simson-Produkte haben in Osteuropa und Asien einen guten Ruf. Daran wollen wir anknüpfen», hatte der Zwickauer angekündigt. Bei Erfolg wollte man die Produktion schrittweise steigern. «Ich bin realistischer Unternehmer und kein Fantast. Ich weiß, was Sanierung heißt», hatte der Zwickauer im Vorfeld immer wieder klargestellt.
Die «Schwalbe» von Simson - ein etwa 60 Stundenkilometer schneller Kleinroller - verhalf dem Betrieb aus der einstigen Bezirksstadt in Südthüringen zu Weltruhm. Rollten die Wessis mit Kreidler «Florett» und Zündapp «Bella» durchs Wirtschaftswunder, so stand die «Schwalbe» für den Aufschwung im ostdeutschen Zweiradbau. Das Gefährt hat sich inzwischen bei Traditionsclubs und Vereinen den gleichen Status gesichert wie Käfer oder Trabant. Dass zumindest die Erinnerung an gute Zeiten bei Simson in Suhl nicht verloren geht, ist sicher. Ein Museum hält die Tradition lebendig.
Die Fertigung ruhte seit Herbst 2002. Wo in der DDR bis zu 200 000 Fahrzeuge pro Jahr aus den Montagehallen rollten, regierte in den vergangenen Monaten Unsicherheit bei den verbliebenen rund 90 Mitarbeitern. Bis zuletzt gab aber auch der Betriebsrat nicht auf - entwickelte eigene Sanierungskonzepte, suchte den Dialog mit Banken und der Landesregierung.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts reicht die Tradition der Zweiradproduktion bei Simson zurück. Damals startete in dem von den Gebrüdern Simson gegründeten Betrieb die Fahrradproduktion. 1907 begann die Automobilproduktion. Besonders berühmt ist der Rennwagen Simson Supra.
Das erste Motorfahrrad - BSW 98 - rollte 1936 aus den Montagehallen in Suhl. Nach der politisch bedingten Emigration der Gebrüder Simson nahm der Betrieb auch die Produktion von Waffen auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte sich das Unternehmen wieder auf die Zweiradherstellung. Mehr als 300 000 Exemplare des Motorrades AWO 425 verließen die Fabrikationslinien. Anfang der 60er Jahre wurde die Motorradmontage zu Gunsten des Kleinkraftradbaus eingestellt. In den Folgejahren blühte die Produktion auf: Simson stand für Suhl wie Volkswagen für Wolfsburg.
Mit der politischen Wende in der DDR begannen zahlreiche Sanierungsversuche. Mehrere Investoren versuchten, die Produktion in Gang zu halten und Neuentwicklungen auf den Markt zu bringen. Im Sommer 2002 meldete der Zweiradproduzent erneut Insolvenz an.