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"Zurück in die Zukunft" "Zurück in die Zukunft": Warum Marty McFly bei seiner Ankunft heute enttäuscht sein wird

Von Steffen Könau 18.10.2015, 14:48
Von wegen, Autos werden fliegen: Die ungünstige Energiebilanz, aber auch Sicherheitsbedenken sprechen inzwischen gegen eine Verlagerung des Verkehrs in die dritte Dimension.
Von wegen, Autos werden fliegen: Die ungünstige Energiebilanz, aber auch Sicherheitsbedenken sprechen inzwischen gegen eine Verlagerung des Verkehrs in die dritte Dimension. Universal Lizenz

Halle (Saale) - Es ist ein Jahr mitten in der Zwischenzeit, dieses 1985. In Moskau wird Michail Gorbatschow Generalsekretär der kommunistischen Partei. In Berlin findet der größte Agentenaustausch des Kalten Krieges statt, als der Osten auf der Glienicker Brücke zwei Dutzend Westspione gegen vier seiner „Kundschafter“ tauscht. In Neuseeland versenken französische Agenten ein Greenpeace-Schiff. In London findet das Live-Aid-Konzert statt. In Hessen wird der Grüne Joschka Fischer in Turnschuhen Minister. Und in Hill Valley startet der Teenager Marty McFly in der DeLorean-Zeitmaschine seines Freundes Emmett Brown zu einer Reise in die Zukunft.

Nun kommt auch noch die futuristische Pepsi-Cola-Flasche, aus der Marty McFly im zweiten Teil von „Zurück in die Zukunft“ trinkt. Pünktlich zum Jubiläum wird der Getränkekonzern 6 500 Flaschen verkaufen, die so gestaltet sind, wie im Film. Preis des Angebots, das sich weniger an Feinschmecker als an Sammler richtet: rund 20 Euro.

Vor vier Jahren hatte schon der Sportartikelhersteller Nike mit dem Model „Air Mag“ eine limitierte Edition des hochgeschlossenen Sportschuhs mit dem selbstbindenden Schnürsenkel angeboten, den Marty McFly im Film trug. Die Verkaufserlöse und von prominenten Fans wie Google-Mitgründer Sergey Brin und seiner Frau Anne Wojcicki eingegangene Spenden für den „größten Schuh, der niemals hergestellt wurde,“ gingen an die Michael J. Fox-Stiftung, die sich dem Kampf gegen Parkinson widmet. Restbestände der einmaligen Edition sind heute schon für etwa 250 Euro im Internet erhältlich.

Selbst dort nicht mehr zu bekommen ist die wasserabweisende Jacke mit dem Patronenbündchen und den aufgesetzten Taschen, die Marty McFly in Teil II trägt. Zeitweise hatte ein privater Anbieter das auffällige Stück mit den überlangen Armen täuschend echt nachgenäht. Das aber offenbar ohne die notwendige offizielle Lizenz. Derzeit noch erhältliche Marty-McFly-Jacken haben eine Lizenz, sehen allerdings völlig anders aus als im Film, weil sie aus Leder oder Kunststoff hergestellt wurden. Auch die Jeansjacke, die nach Motiven des Films genäht wird, wirkt genau betrachtet wenig glaubwürdig.

Völlig echt dagegen ist das quietschbunte Baseball-Käppchen, mit dem McFly in Teil II herumlaufen muss. Es findet sich heute im offiziellen Merchandising-Shop der Filmgesellschaft. 

www.bttf.net

www.aeromobil.com

www.hendohover.com

Es ist der zweite Teil der Kino-Trilogie „Zurück in die Zukunft“, der den von Michael J. Fox gespielten Helden ins Jahr 2015 führt. Wo er am Mittwoch um genau 4.29 Uhr nachmittags landen wird - in einer Welt, die ein bisschen so ist, wie sich das Produzent Spielberg, Regisseur Robert Zemeckis und Drehbuchautor Bob Gale gedacht hatten. Die aber andererseits so wenig zu tun hat mit der im Film gezeigten, dass beide glatt auf unterschiedlichen Planeten stattfinden könnten.

Marty McFlys Zukunft, ausgedacht im Jahr 1988, ist eine Art verlängerte Gegenwart der 80er Jahre, die von einem hohen Maß an Konstanz geprägt waren. Der Kalte Krieg ist lauwarm geworden, junge Leute inszenieren sich gern als hedonistische Popper, das Space Shuttle verspricht die Eroberung des Kosmos und das Informationszeitalter eröffnet Raum für neue Wachstumsmärkte.

Die, so prognostiziert der Film, würden Amerika grundlegend verändern. In „Zurück in die Zukunft“ gibt es deshalb nicht nur den von Plutonium angetriebenen DeLorean, sondern auch ein schwebendes Hoverboard, fliegende Roboter, Fingerab- druckscanner, Videotelefonate, selbstbindende Schnürsenkel und Küchenmaschinen, die aus dehydrierter Fertignahrung genießbares Essen zaubern. Auch politisch ist diese neue Welt ein stabiler Ort ohne überbordende Probleme, wie es sie heute alle naselang gibt. In Großbritannien ist Queen Diana Staatsoberhaupt, die größte Tankstellenkette heißt Texaco und ein Baseball-Team aus Florida hat schon einige Jahre zuvor zum ersten Mal die sogenannte World-Series gewonnen. Eine Sensation, weil Florida 1988 überhaupt kein Baseball-Team hat.

Das hat bisher nicht geklappt, obwohl die Miami Marlins inzwischen wirklich existieren. Der Rest ist wie echt: In den Fast-Food-Restaurants schwelgen die Leute in Erinnerungen an die 80er. Auf Flachbildschirmen laufen alte Serien wie „Magnum“ und Musik aus den 80ern, als wäre das ganz normale deutsche Formatradio eingeschaltet. Marty McFly trägt zuweilen eine riesige, unförmige Datenbrille.

Für einen Zeitraum von mehr als einem Vierteljahrhundert eine verblüffende Trefferquote, gemessen an der Realität des echten Jahres 2015. Zwar hatte Lady Diana wegen ihres tödlichen Unfalls nie eine Chance, Königin des Vereinigten Königreiches zu werden und auch das Zeitreise-Auto mit Atomantrieb gibt es nicht. Doch abgesehen davon, dass die heute durchaus wirklich vorhandenen Roboter nicht fliegen und heute durchaus bereits existierende Schwebeboards wie das Hendo-Hoverboard dies nur über speziellen Oberflächen können, stimmt einiges, was sich Zemeckis und Gale ausgesponnen haben.

Die Identifikation von Menschen über ihre Fingerabdrücke etwa ist mit dem iPhone Alltag geworden. Die Google-Glass-Brille sieht nur eleganter aus als McFlys Modell, dient aber demselben Zweck. Die Flachbildschirme, die im Film überall zu sehen sind, obwohl es sie zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch nicht im Handel gab, stehen oder hängen heute in jedem Wohnzimmer. Auch schnelltrocknende und smarte Kleidungsstücke wie McFlys grau-rote Jacke sind durch Hersteller wie Jack Wolfskin, The North Face oder Marmot fester Bestandteil des ganz normalen Lebens. So ähnlich verhält es sich mit den Verjüngungskuren, die Spielbergs Team prognostiziert: Emmett Brown unterzieht sich einer Kompletterneuerung mit Bluterneuerung und Organaustausch, die ihn 40 Jahre jünger macht. Die Gegenwart allerdings hat nur Botoxspritzen für straffere Haut zu bieten.

Während „Zurück in die Zukunft“ einige Veränderungen, die ein Vierteljahrhundert bewirken wird, unterschätzt hat, überschätzten die Macher andere wie den Trend zur fliegenden Mobilität. Im Film wird dauernd geflogen, im realen Heute höchstens mal in den Urlaub. Fliegende Autos wie das Aeromobil gibt es zwar. Doch sie gelten allenfalls als teures Spielzeug für Hobby-Futuristen, dessen massenhafte Nutzung gefährlich wäre. „Fliegende Autos sind das Rezept für ein Desaster“, glaubt der US-amerikanische Zukunftsforscher Adrian Berry. Leute seien schließlich schon „nicht besonders gut beim Autofahren in zwei Dimensionen“. Ganz im Gegensatz zu selbstlenkenden Fahrzeugen, die in den nächsten Jahren Realität zu werden versprechen. Obwohl sie im Film nicht vorkommen.

Der befindet sich auch fest im Griff des Fax-Gerätes, das in den 80ern als Riesenschritt zur Beschleunigung der Kommunikation galt. Statt Computer zu benutzen, um E-Mails über das Internet zu versenden, wird hier gefaxt. Und anstelle von fluffigen Smartphones, deren Vorläufer Ende der 80er durchaus existierten und die die Welt heute mit ihren multimedialen Fähigkeiten prägen, sind es Fax-Maschinen, die handgeschriebene Botschaften verbreiten.

McFly und Brown wären von Teilen der Gegenwart sicher begeistert. Andererseits aber auch enttäuscht von einer Zukunft, deren unerwartetste Errungenschaften ein unsichtbares Datennetz und Telefone voller bunter Symbolen sind.

Der Rest an Überraschungen, den „Zurück in die Zukunft“ bereithält, besteht aus dem, was nicht mehr ist. Die Mikrowelle etwa, die im Film ein Fertiggericht in Sekunden zubereitet, hat einer Slow-Food-Welle Platz gemacht. Und das Atom, das im Kino Autos antreibt, ist - zumindest in Deutschland - ein Auslaufmodell. Emmett Brown allerdings wüsste all das erwartet Unerwartete wohl alles einzuordnen: „Niemand sollte zu viel über die Zukunft wissen“, sagt er an einer Stelle im Film.

Fernbedienungen dagegen sind sehr viel kleiner.
Fernbedienungen dagegen sind sehr viel kleiner.
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Das Hoverboard (l.), auf dem Marty McFly im Film fliegt, ist bis heute Utopie geblieben.
Das Hoverboard (l.), auf dem Marty McFly im Film fliegt, ist bis heute Utopie geblieben.
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Das Armaturenbrett des DeLorean zeigt die Ankunftszeit.
Das Armaturenbrett des DeLorean zeigt die Ankunftszeit.
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