Tarifverhandlungen Tarifverhandlungen: Mehr Geld in Stufen für öffentlichen Dienst vorgesehen

Potsdam - Die Tarifverhandlungen für 2,3 Millionen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst der Kommunen und des Bundes haben sich am Dienstag länger in hingezogen als zunächst erwartet. Am Nachmittag hatten die Verhandlungsführer von Verdi, Deutschem Beamtenbund (dbb), dem Verband kommunaler Unternhemen (VKU) un dem Bundesinnenministerium ein vorläufiges Ergebnis vorgelegt. Laut Agenturmeldungen soll darin eine dreistufige Lohnanhebung vereinbart worden sein. In einer ersten Stufe soll es rückwirkend zum 1. März im Schnitt 3,19 Prozent mehr Lohn geben, zum 1. April 2019 dann nochmals ein Plus von 3,09 Prozent und zum 1. März 2020 weitere 1,06 Prozent.
Das entgültige Ergebnis wird „sehr komplex“ ausfallen
Dieses Ergebnis musste aber auch von den Tarifkommisssionen der Gewerkschaften sowie der Mitgleiderversammmlung des VKU gut geheißen werden. Ohne eine allseitige Zustimmung mit Mehrheit in diesen Gremien ist ein endgültiger Abschluss nicht möglich. Am Morgen hatte Verdi-Chef Frank Bsirkse in Potsdam davon gesprochen, man sei in den nächtlichen Gesprächen mit dem Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) „einer Einigung näher gekommen“. Das Ergebnis werde allerdings „sehr komplex“ ausfallen. In den vergangenen Wochen hatten die Gewerkschaften mit Warnstreiks weite Bereiche des öffentlichen Lebens in Teilen der Republik lahm gelegt. Unter anderem waren Kitas, Müllabfuhr, öffentlicher Nahverkehr und Kommunalverwaltungen bestreikt worden.
Die Gewerkschaften hatten ein umfangreiches Forderungspaket auf den Verhandlungstisch gelegt. Für die rund 2,3 Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst, wovon auf die Kommunen 2,2 Millionen entfallen, sollte es sechs Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro monatlich geben. Azubis sollten mindestens 100 Euro mehr und 30 statt bisher 29 Urlaubstage erhalten. Für Schichtdienstler forderten die Gewerkschaften sechs anstelle der bisher vier zusätzlichen Urlaubstage, Beschäftigte in Wechselschicht sollten neun statt bisher sechs Tage Zusatzurlaub erhalten. Schließlich sollten Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld im Osten auf das Westniveau angehoben werden. Unter dem Strich hatte das Forderungspaket laut Verdi ein Volumen von sieben Prozent.
Kompliziert hatten sich die Verhandlungen vor allem aus zwei Gründen erwiesen. Zum einen finden sich auf Arbeitgeberseite sowohl ziemlich reiche wie auch bettelarme Gebietskörperschaften. Die kommunale Gesamtverschuldung von zuletzt knapp 140 Milliarden Euro (ohne Stadtstaaten) verteilt sich nämlich höchst ungleichmäßig auf die Städte und Landkreise der Republik. Die Gesamtbelastung in Höhe von 6,5 Milliarden Euro, die die Gewerkschaftsforderung nach Rechnung der kommunalen Arbeitgeber bedeutet hätten, wäre mithin für viele Kommunen kaum verkraftbar.
Finanzielle Unterschiede zwischen Städten sind groß
Ein Beispiel: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts betrug die kommunale Pro-Kopf-Verschuldung im bayerischen Eichstädt zum Jahreswechsel 2016/17 genau 539 Euro. 260 Kilometer weiter westlich, in rheinland-pfälzischen Pirmasens, kamen auf jeden der 41 000 Einwohner dagegen 11 500 Euro städtischer Schulden. Nicht viel besser sieht es in weiten Teilen des Ruhrgebietes aus. Eine zentrale Rolle für die Finanzspielräume der Kämmerer kommt dem Arbeitsmarkt zu. Viele Jobs in florierenden Betrieben vor Ort lassen Gewerbesteuer- und Einkommensteuereinnahmen, von denen die Kommunen 15 Prozent erhalten, sprudeln – und umgekehrt.
Auch dies wird am Vergleich Eichstätt-Pirmasens deutlich: In Eichstätt lag die Arbeitslosenquote im März bei 1,4 Prozent, in Pirmasens war sie mit 11,9 Prozent fast neun Mal so hoch. Dass hochverschuldete und einnahmeschwache Städte wie Pirmasens kaum in der Lage sind, kräftige Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst zu schultern, liegt auf der Hand. Dass Tarifverhandlungen mit einem derart heterogenen Arbeitgeberlager schwierig sind, ebenso.
Als zweiter Knackpunkt erwies sich die Gewerkschaftsforderung nach einem Lohnplus von mindestens 200 Euro, die vor allem unteren Lohngruppen zugutekommen sollten. Mit dieser „sozialen Komponente“ wollten Verdi und dbb der wachsenden Kluft zwischen guten und geringen Arbeitseinkommen entgegen wirken. Der Vorsitzende des Beamtenbundes, Ulrich Silberbach, hatte vor Beginn der Verhandlungen im Februar auf die Bedeutung der 200-Euro-Mindestforderung hingewiesen: Für Pflegehelferinnnen oder Straßenwärter mit nur knapp über 2000 Euro brutto seien das immerhin zehn Prozent mehr im Monat.
Das durchaus ehrenwerte Ziel traf im Arbeitgeberlager indessen auf wenig Gegenliebe. Die Städte und Gemeinden haben andere Interessen: Sie konkurrieren mit privaten Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt um qualifizierte Fachkräfte und geraten dabei - trotz mancher Vorzüge des Öffentlichen Dienstes - vielerorts ins Hintertreffen. Daher war es den Kommunen daran gelegen, die mit Lohnsteigerungen verbundenen Ausgaben im Segment der hochqualifizierten Beschäftigten wirksam werden zu lassen.